SdG 08 - Kinder des Schattens
wird schon schlecht, wenn ich Euch einfach nur ansehe.«
»Aber was hat das mit meiner Hose zu tun?«
»Sehr wenig, zugegebenermaßen. Mein Interesse gilt natürlich dem Prinzipiellen.«
»Dagegen lässt sich nicht viel sagen. Und jetzt erzähl mir, was du den ganzen Tag gemacht hast … Und beeil dich, um Mitternacht habe ich eine Verabredung mit einer toten Frau.«
»Es gelingt Euch immer wieder, Herr, mich mit dem Ausmaß Eurer Verzweiflung in Erstaunen zu versetzen.«
»Hat unser bevorzugter Geldverleiher Selbstmord begangen, wie wir es voller Kummer vorausgesehen haben?«
»Vollständig, ohne irgendeinen Haken.«
»Außer demjenigen, an dem er sich angeblich aufgehängt hat?«
»Ganz wie Ihr sagt, aber das war, bevor seine Geschäftsräume tragischerweise ein Raub der Flammen wurden.«
»Hast du irgendetwas darüber gehört, wie Finadd Gerun Eberict auf all das reagiert hat?«
»Eindeutig verzagt, Herr.«
»Aber nicht übermäßig misstrauisch?«
»Wer kann das sagen? Seine Agenten haben Nachforschungen angestellt, aber das Ganze war eher eine Suche nach verborgenen Gewinnen, beziehungweise dem Versuch, einen Verlust wettzumachen und sowas. Allerdings ist kein solches Vermögen aufgetaucht.«
»Und das ist auch besser so. Eberict muss den Verlust vollständig schlucken – nicht, dass es wirklich ein Verlust war, sondern nur ein gescheiterter Versuch, sein Vermögen zu mehren. Seine wichtigsten Kapitalanlagen bleiben schließlich noch intakt. Und jetzt hör auf, blöd zu quatschen, Bagg. Ich muss ein bisschen nachdenken.« Tehol zog seine Hose hoch, zuckte angesichts von Baggs plötzlichen Stirnrunzelns zusammen. »Ich muss wohl abgenommen haben«, murmelte er und fing an, auf und ab zu gehen.
Vier Schritte brachten ihn an den Rand des Dachs. Er drehte sich um und blickte Bagg an. »Was hast du da eigentlich an?«
»Das ist unter Steinmetzen gerade der letzte Schrei.«
»Den Verstaubten Wenigen.«
»Genau.«
»Ein breiter Ledergürtel mit jeder Menge Schlaufen und Taschen.«
Bagg nickte.
»Vermutlich sind diese Schlaufen und Taschen für Werkzeuge und so was gedacht«, fuhr Tehol fort. »Für all die Dinge, die ein Steinmetz gebrauchen könnte.«
»Nun, ich leite das Unternehmen. Ich benutze diese Dinge nicht.«
»Aber du brauchst den Gürtel.«
»Wenn ich ernst genommen werden will, Herr – dann ja.«
»Oh. Klar, das ist natürlich wichtig, oder? Und ordnungsgemäß unter Ausgaben vermerkt, nehme ich an?«
»Natürlich. Das und der hölzerne Hut.«
»Du meinst einen von diesen roten Dingern, die wie Schüsseln aussehen?«
»Stimmt.«
»Und warum hast du ihn dann nicht auf?«
»Im Augenblick arbeite ich nicht. Als einziger Eigentümer von Baggs Bauunternehmen tue ich das sowieso nicht.«
»Und doch hast du dir den Gürtel besorgt.«
»Er hat etwas Tröstliches, Herr. Ich nehme an, so ähnlich muss es sich anfühlen, wenn man einen Schwertgurt trägt. Ein gediegenes Gewicht an der Hüfte zu spüren, hat etwas ungemein Beruhigendes.«
»Als ob du dich ewig mit deiner Ausrüstung duelliertest.«
»Ja, Herr. Seid Ihr fertig mit Nachdenken?«
»Das bin ich.«
»Gut.« Bagg nahm seinen Gürtel ab und warf ihn auf das Dach. »Der macht meine Hüften schief. Ich laufe nur noch im Kreis.«
»Wie wäre es mit etwas Kräutertee?«
»Gerne.«
»Hervorragend.«
Sie starrten sich noch einen Moment lang an, dann nickte Bagg und begab sich zur Leiter. Sobald er Tehol den Rücken zukehrte, zog Letzterer einmal mehr seine Hose hoch. Dabei starrte er auf den Gürtel hinunter, schüttelte jedoch schließlich den Kopf. Es wäre anmaßend.
Bagg stieg nach unten und verschwand aus seinem Blickfeld. Tehol ging zu seinem Bett hinüber und ließ sich darauf nieder; das Gestell quietschte. Er starrte zu den düsteren Sternen hinauf. Ein Feiertag näherte sich, der in diesem Fall dem Abtrünnigen gewidmet war, dem auf ewig geheimnisvollen Lieferanten des Zufalls, schicksalhafter Umstände und fehlgeleiteter Triebkräfte. Oder irgendetwas in der Art. Tehol war sich niemals sicher. Er nahm an, die Festen und die Vielzahl ihrer Bewohner waren als verlässliche Möglichkeit erfunden worden, irgendjemandem für im wahrsten Sinne des Wortes alles Mögliche die Verantwortung zuzuschieben. Sich der Verantwortung zu entziehen war, wie es schien, eine allgemein verbreitete menschliche Neigung.
Auf jeden Fall würde es riesige, sinnlose Feierlichkeiten geben. Zur Feier von irgendetwas, vielleicht aber auch
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