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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Besonderes – oder genauer, sollte es zu seinem eigenen Wohl besser nicht sein. Es birgt viele Gefahren, absolute Reinheit für sich in Anspruch zu nehmen, egal ob des Blutes oder der Abstammung. Die wenigsten werden es zugeben, aber Lether ist durch die Minderheiten, die es verschluckt hat, viel reicher geworden – vorausgesetzt, die Verdauung bleibt auf ewig unvollständig.
    Wie auch immer es sein mag, Finadd, so muss ich Euch gegenüber doch eine gewisse Unwissenheit eingestehen. Der Palast isoliert diejenigen, die in seinem Innern gefangen sind, und seine Wurzeln ernähren einen nur spärlich. Ich würde gerne etwas über die persönlichen Überzeugungen der Menschen draußen erfahren.«
    Brys überlegte einen Moment und fragte dann: »Könnt Ihr Euch ein bisschen genauer erklären, Erster Eunuch?«
    Nifadas drehte sich noch immer nicht um. »Im Hinblick auf die Meere. Die Bewohner der Tiefe. Dämonen und alte Götter, Brys.«
    »Die Tiste Edur nennen die dunklen Wasser die Sphäre von Galain, der man nachsagt, sie gehöre Verwandten, die in der Dunkelheit zu Hause sind. Die Tarthenal betrachten die Meere als ein einziges Tier mit zahllosen Gliedmaßen, wie ich gehört habe – wozu dann auch die gehören, die als Flüsse und Ströme ins Landesinnere reichen. Die Nerek fürchten sie als ihre Unterwelt, einen Ort, an dem das Ertrinken ewig währt, ein Schicksal, das Verräter und Mörder erwartet.«
    »Und die Letherii?«
    Brys zuckte die Schultern. »Darüber weiß Kuru Qan mehr als ich, Erster Eunuch. Seeleute fürchten etwas, aber sie verehren nichts. Sie bringen Opfer in der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden. Auf den Meeren leiden die Überheblichen, während nur die Demütigen überleben, wobei es allerdings auch heißt, dass der Hunger in den Tiefen gereizt und boshaft wird, wenn die Selbsterniedrigung zu weit getrieben wird. Gezeiten und Strömungen enthüllen Muster, denen man folgen muss, was teilweise die Unmenge an Aberglauben und Ritualen erklärt, derer diejenigen bedürfen, die übers Meer reisen wollen.«
    »Und dieser … Hunger in den Tiefen … Hat er keinen Platz bei den Festen?«
    »Nicht dass ich wüsste, Erster Eunuch.«
    Endlich drehte Nifadas sich um, musterte Brys aus halb geschlossenen Augen. »Findet Ihr das nicht eigenartig, Finadd Beddict? Lether wurde von Kolonisten gegründet, die aus dem Ersten Imperium hierher gekommen sind. Jenes Erste Imperium wurde später vernichtet, das Paradies dem Erdboden gleichgemacht und in eine leblose Wüste verwandelt. Doch im Ersten Imperium wurden zum ersten Mal die Festen entdeckt. Zugegeben, die Leere Feste hat sich als eine spätere Manifestation erwiesen, zumindest was uns betrifft. Müssen wir dann also davon ausgehen, dass noch ältere Überzeugungen überlebt haben und vor all diesen Jahrtausenden in dieses neue Land gebracht wurden? Oder ist es umgekehrt, und jedes Land – mit den angrenzenden Meeren – bringt eine ihm eigene Reihe von Überzeugungen hervor? Wenn das der Fall ist, würden die Schlussfolgerungen über die Existenz körperlicher, unbestreitbarer Götter enorm an Gewicht gewinnen.«
    »Aber selbst dann«, sagte Brys, »gibt es noch immer keinen Beweis dafür, dass solche Götter sich auch nur leidlich um menschliche Angelegenheiten scheren. Ich glaube nicht, dass die Seeleute sich den Hunger, von dem ich gesprochen habe, als Gott vorstellen. Wohl eher als Dämon, nehme ich an.«
    »Um zu beantworten, was nicht zu beantworten ist – ein Bedürfnis, unter dem wir alle leiden.« Nifadas seufzte. »Finadd, die unabhängigen Robbenjäger wurden alle niedergemacht. Drei ihrer Schiffe haben die Rückreise nach Trate überstanden, bemannt, bis kurz vor den Piers, mit Edur-Gespenstern, doch getragen von Wogen, die mehr als Wogen waren. Ein Dämon, einer von denen, bei denen die Seeleute schwören … Doch es war etwas weitaus Größeres, wie unser Ceda glaubt. Seid Ihr mit den Überzeugungen der Faraed vertraut? Sie haben eine mündliche Überlieferung, und wenn die Aufzählung der Generationen stimmt und nicht einfach nur dichterischer Schein ist, dann reicht diese Überlieferung tatsächlich sehr, sehr weit zurück. Die Schöpfungsmythen der Faraed drehen sich um Ältere Götter. Jeder mit einem Namen und einem Aspekt, ein entzweites Pantheon aus vollkommen ungesunden Persönlichkeiten. Jedenfalls gehört zu ihnen der Ältere Lord der Meere, der Bewohner der Tiefe. Er wird Mael genannt. Überdies kommt Mael in vielen der ältesten

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