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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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gar nichts, und gewiss würde alles einbezogen werden. Hektische Wetten an den Sonder-Tauchtagen, bei denen die schlimmsten Verbrecher versuchen würden, wie Schwäne zu schwimmen. Menschen, die gerne gesehen wurden, würden dafür sorgen, dass sie gesehen wurden. Diese Art von Schauspiel war eine gute Gelegenheit für würdige Lässigkeit, und Lässigkeit zeugte von Wohlstand. Und in der Zwischenzeit würden die ans Haus gefesselten Wachen in leeren Anwesen vor sich hingrummeln und auf ihren Posten dösen.
    Ein schlurfendes Geräusch aus der Düsternis zu seiner Rechten. Tehol blickte in die besagte Richtung. »Ihr seid früh dran.«
    Shurq Elalle trat näher. »Ihr hattet Mitternacht gesagt.«
    »Bis dahin dauert es mindestens noch zwei Glockenschläge.«
    »Tatsächlich? Oh.«
    Tehol setzte sich auf. »Nun, jetzt seid Ihr hier. Es hat keinen Sinn, Euch wieder wegzuschicken. Doch wir werden Selush erst kurz nach Mitternacht aufsuchen.«
    »Wir könnten früher gehen.«
    »Das könnten wir, aber ich möchte sie lieber nicht beunruhigen. Immerhin hat sie angedeutet, dass sie eine ganze Menge Vorräte braucht.«
    »Was macht mich schlimmer als irgendeine andere Leiche?«
    »Zum Beispiel leisten andere Leichen keinen Widerstand.«
    Die untote Frau kam noch ein bisschen näher. »Warum sollte ich mich genötigt sehen, Widerstand zu leisten? Macht sie mich nicht einfach nur hübsch?«
    »Natürlich. Ich wollte einfach nur ein bisschen plaudern. Und wie ist es Euch ergangen, Shurq Elalle?«
    »Wie immer.«
    »Wie immer. Und was heißt das?«
    »Ich war schon besser dran. Andererseits würden viele diese Stetigkeit für eine Tugend halten. Das ist eine außergewöhnliche Hose.«
    »Da sind wir uns einig. Leider nicht nach jedermanns Geschmack …«
    »Ich habe keinen Geschmack.«
    »Oh. Ist das eine Folge Eures derzeitigen Zustands oder ein allgemeines selbstkritisches Eingeständnis?« Die trüben, leblosen Augen, die bisher jeden direkten Blickkontakt vermieden hatten, richteten sich auf Tehol. »Ich habe an das Fest des Abtrünnigen gedacht … oder, genauer … an die Nacht.«
    Tehol lächelte. »Ihr erahnt meine Absichten, Shurq.«
    »Sechzehn Wächter tun die ganze Zeit Dienst, während weitere acht frei haben und sich – spielend oder schlafend – in den Unterkünften aufhalten, die mittels eines einzigen überdachten Gangs von neunzehn Schritt Länge mit dem Hauptgebäude des Anwesens verbunden sind. Alle Außentüren sind zweifach verriegelt. An jeder Ecke des Dachs gibt es ein Kabuff, in dem sich jeweils vier Wachen aufhalten, und sämtliche Fenster sind mit Schutzzaubern gesichert. Die Mauern des Anwesens sind doppelt mannshoch.«
    »Das klingt beeindruckend.«
    Shurq Elalles Schulterzucken brachte ein Geräusch hervor, das irgendwie nach nassem Leder klang, doch ob es von ihrer Kleidung oder sonstwoher kam, ließ sich nicht bestimmen.
    Bagg tauchte wieder auf. Er kam einhändig die Leiter hochgeklettert, balancierte auf der anderen ein Tablett, das aus dem Deckel einer Kiste gemacht war. Auf dem Tablett standen zwei Tonbecher mit dampfendem Inhalt. Bagg schob sich langsam auf das Dach; als er aufblickte und die beiden sah, blieb er bestürzt stehen. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich grüße Euch, Shurq Elalle. Möchtet Ihr ein wenig Tee?«
    »Mach dich nicht lächerlich.«
    »Oh ja. Wie gedankenlos von mir. Ich bitte um Verzeihung.« Bagg trat mit dem Tablett näher.
    Tehol nahm seinen Becher und schnüffelte vorsichtig. Dann blickte er seinen Diener stirnrunzelnd an.
    Der zuckte die Schultern. »Wir haben keine Kräuter, Herr. Ich musste mir etwas einfallen lassen.«
    »Und was ist dir eingefallen? Schaffell?«
    Bagg zog die Brauen hoch. »Ihr seid tatsächlich verdammt nah dran. Ich hatte noch ein bisschen Wolle übrig.«
    »Von der gelben oder von der grauen?«
    »Von der grauen.«
    »Nun, dann ist es in Ordnung.« Er trank schlürfend einen Schluck. »Weich.«
    »Ja, das war zu vermuten.«
    »Wir vergiften uns doch nicht gerade, oder?«
    »Nur ein wenig, Herr.«
    »Es gibt manchmal Augenblicke«, bemerkte Shurq Elalle, »in denen ich es bedauere, tot zu sein. Allerdings zählt dieser nicht dazu.«
    Die beiden Männer beäugten sie nachdenklich, während sie ihren Tee schlürften.
    »Im Idealfall«, fuhr sie fort, »würde ich mich jetzt räuspern, um von diesem peinlichen Augenblick abzulenken. Aber ich kann mich nicht noch peinlicher berührt fühlen, als ich es sowieso schon bin. Und außerdem hat es

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