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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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geleitet«, sagte Forcht nach einem kurzen Augenblick. »Sein Blut bewahrt Erinnerungen, die bis zu den Dunklen Zeiten zurückreichen. Bei jedem Schritt, den er macht, breitet sich Vater Schatten vor ihm aus.«
    Der Hinweis auf die Visionen ließ ein unbehagliches Gefühl in Trull aufsteigen. Er zweifelte nicht an ihrer Macht – oh nein, ganz im Gegenteil. Die Dunklen Zeiten waren mit der Spaltung der Tiste Edur gekommen, mit dem Angriff von Zauberei und fremden Armeen und dem Verschwinden von Vater Schatten. Und auch wenn die Magie von Kurald Emurlahn den Stämmen noch zugänglich war, so war das Gewirr selbst verloren: Es war zerschmettert, und seine Bruchstücke wurden von falschen Königen und Göttern beherrscht. Trull vermutete, dass Hannan Mosags Ehrgeiz weit darüber hinausging, einfach nur die sechs Stämme zu vereinigen.
    »Du bist voller Widerwillen, Trull. Du verbirgst es gut, aber ich kann sehen, was andere nicht sehen können. Du bist ein Krieger, der lieber nicht kämpfen würde.«
    »Das ist kein Verbrechen«, murmelte Trull – und fügte einen Herzschlag später hinzu: »Von allen Sengars tragen nur Vater und du mehr Trophäen als ich.«
    »Deine Tapferkeit habe ich nicht in Frage gestellt, Bruder. Aber Mut ist das geringste unter den Dingen, die uns verbinden. Wir sind Edur. Wir waren einst die Herren der Hunde. Wir besaßen den Thron von Kurald Emurlahn. Und wir besäßen ihn immer noch, wenn wir nicht verraten worden wären – zuerst von den Verwandten Scabandari Blutauges, dann von den Tiste Andii, die mit uns auf diese Welt gekommen sind. Wir sind ein bedrängtes Volk, Trull. Die Letherii sind nur ein Feind unter vielen. Der Hexenkönig weiß das.«
    Trull betrachtete das Sternenlicht, das sich in den ruhigen Wassern der Bucht spiegelte. »Ich werde nicht zögern, gegen die zu kämpfen, die unsere Feinde sein wollen, Forcht.«
    »Das ist gut, Bruder. Es reicht, um Rhulad zum Schweigen zu bringen.«
    Trull versteifte sich. »Er spricht gegen mich? Dieses ungeblutete … Hündchen ?«
    »Wenn er Schwäche sieht …«
    »Was er sieht und was wahr ist, sind verschiedene Dinge«, sagte Trull.
    »Dann zeige ihm, dass es anders ist«, sagte Forcht. Seine Stimme war wie immer tief und ruhig.
    Trull schwieg. Er hatte sich offen ablehnend über Rhulad und seine unaufhörlichen Herausforderungen und Posen geäußert; das war in Anbetracht der Tatsache, dass Rhulad ungeblutet war, sein gutes Recht. Viel schwerer wog jedoch, dass seine Gründe wie ein Schutzwall um das Mädchen herum errichtet waren, das Forcht heiraten würde. Natürlich wäre es unziemlich, diese Dinge jetzt auszusprechen, denn in seinen Worten würden Gehässigkeit und Bosheit mitschwingen. Schließlich war Mayen mit Forcht verlobt, nicht mit Trull, und es war Forchts Aufgabe, sie zu schützen.
    Die Dinge wären einfacher, dachte er mit leisem Bedauern, wenn er Mayen besser einschätzen könnte. Sie ermutigte Rhulad nicht zu seinen Aufmerksamkeiten, doch sie zeigte ihm auch nicht die kalte Schulter. Sie schritt am äußersten Rand der Schicklichkeit entlang, so selbstbewusst, wie jedes Mädchen es tun würde – und auch tun sollte –, die das Privileg hatte, bald den Waffenmeister der Hiroth zu heiraten. Und es ging ihn, wie er sich erneut ermahnte, überhaupt nichts an. »Ich werde Rhulad nicht zeigen, was er längst sehen sollte«, brummte Trull. »Er hat nichts getan, was rechtfertigen würde, dass ich ihm meine Beachtung schenke.«
    »Rhulad fehlt das feine Empfinden, in deinem Widerstreben etwas anderes als Schwäche zu sehen …«
    »Das ist sein Fehler, nicht meiner!«
    »Erwartest du, dass ein blinder alter Mann einen Strom ohne Hilfe überquert und die Trittsteine von allein findet? Nein, du führst ihn, bis er mit seinem geistigen Auge schließlich das sehen kann, was alle anderen sehen können.«
    »Wenn alle anderen es sehen können«, erwiderte Trull, »vermögen Rhulads Worte nichts auszurichten, und dann tue ich recht daran, nicht auf sie zu achten.«
    »Rhulad ist nicht der Einzige, dem es an Feinsinn mangelt, Bruder.«
    »Möchtest du, Forcht, dass unter Tomad Sengars Söhnen Feindschaft herrscht?«
    »Rhulad ist weder dein Feind noch der Feind irgendeines anderen Edur. Er ist jung, und er dürstet nach Blut. Du warst einst genauso, darum bitte ich dich, dich daran zu erinnern, wie du damals warst. Dies ist nicht der geeignete Zeitpunkt, um anderen Wunden zuzufügen, von denen ganz sicher Narben zurückbleiben

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