Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
Vom Netzwerk:
die Letherii Robben raubten, kam es bei den Edur zu Hungersnöten, und in Zeiten des Hungers waren die Sklaven die Ersten, die litten.
    Udinaas verstand sein eigenes Volk nur zu gut. Für die Letherii war Gold alles, was zählte. Gold und Gold zu besitzen bestimmte ihre Welt. Macht, Status, Selbstwertgefühl und Respekt – alles Ware, die man mit klingender Münze erwerben konnte. In der Tat banden Schulden das gesamte Königreich, definierten jede Beziehung, waren das Motiv, das seinen Schatten auf jede Handlung und jede Entscheidung warf. Diese unredliche Robbenjagd war der Eröffnungszug in einem Spiel, das die Letherii unzählige Male und immer auf die gleiche Weise gespielt hatten, mit jedem Stamm jenseits ihrer Grenzlande. Für die Letherii waren die Edur nicht anders als diese Stämme. Aber sie sind anders, ihr Narren.
    Trotzdem – der nächste Zug würde beim Großen Treffen erfolgen, und Udinaas befürchtete, dass der Hexenkönig und seine Berater, so schlau sie auch waren, mit Blindheit geschlagen in die Verhandlungen gehen würden. Und er machte sich um all das Sorgen, was dann folgen würde.
    Wie zu Zeiten der Flut geborene Jungtiere rannten die Völker zweier Königreiche Hals über Kopf ins tiefe, tödliche Wasser.
    Drei Sklaven aus dem Haushalt der Buhns trotteten an ihm vorbei, auf den Schultern Bündel aus getrocknetem Seetang. Einer rief Udinaas zu: »Federhexe wird heute Nacht die Fliesen werfen, Udinaas! Genau dann, wenn der Rat sich versammelt.«
    Udinaas machte sich daran, das Netz zum Trocknen auf das dafür vorgesehene Gestell zu legen. »Ich werde da sein, Hulad.«
    Die drei verließen den Strand, und Udinaas war wieder allein. Er blickte gen Norden und sah Forcht und Trull den Hang hinauf auf das Seitentor der äußeren Mauer zugehen.
    Nachdem er mit dem Netz fertig war, packte er seine Werkzeuge in den kleinen Korb und klappte den Deckel zu, dann richtete er sich auf.
    Er hörte Flügelschlagen hinter sich und drehte sich um, überrascht, so lange nach Sonnenuntergang noch einen Vogel fliegen zu hören. Ein blasser Schatten streifte die Wasserlinie und verschwand.
    Udinaas blinzelte, strengte die Augen an, um ihn noch einmal zu sehen und redete sich dabei ein, dass es nicht war, nach was es ausgesehen hatte. Das nicht. Alles andere, nur das nicht. Er machte ein paar Schritte nach links, auf einen freien Flecken Sand. Dort kauerte er sich hin und zeichnete mit dem kleinen Finger seiner linken Hand rasch ein Beschwörungszeichen in den Sand, während er seine rechte Hand an den Kopf führte, die ersten beiden Finger an die Augen legte, für einen kurzen Moment die Lider herunterzog und dabei ein Gebet flüsterte: »Die Knöchelchen sind geworfen, Retter, blicke in dieser Nacht auf mich herab. Abtrünniger! Blicke auf uns alle herab!«
    Er nahm seine rechte Hand wieder herunter und senkte den Blick auf das Zeichen, das er in den Sand geritzt hatte.
    »Fort mit dir, Krähe!«
    Das Seufzen des Windes, das Murmeln der Wellen. Dann ein entferntes Krächzen.
    Erschauernd schoss Udinaas hoch, schnappte sich seinen Korb und rannte auf das Tor zu.
     
    Die Ratshalle des Königs war ein großer, runder Raum, dessen Dach von Schwarzholzbalken gebildet wurde, die sich weit oben verborgen von der rauchgeschwängerten Luft zu einer Spitze vereinten. Ungeblutete Krieger von adliger Geburt standen am Rand, bildeten den äußersten Ring all derjenigen, die hier waren, um der Ratsversammlung beizuwohnen. Als Nächstes kamen die Matronen, die verheirateten und verwitweten Frauen, die auf Bänken mit Rücken lehnen saßen. Dann kamen die Unverheirateten und die Verlobten, die wiederum mit gekreuzten Beinen auf Fellen kauerten. Einen Schritt vor ihnen senkte sich der Fußboden des Raums eine Armeslänge tief ab und bildete eine zentrale Grube aus festgestampfter Erde, in der die Krieger hockten. Genau im Zentrum befand sich ein erhöhtes Podest von fünfzehn Schritt Durchmesser, auf dem Hannan Mosag, der Hexenkönig, stand; um ihn herum saßen mit nach außen gewandten Gesichtern die fünf als Geiseln dienenden Prinzen.
    Als Trull und Forcht in die Grube hinunterstiegen, um ihre Plätze inmitten der gebluteten Krieger einzunehmen, starrte Trull zu seinem König empor. Hannan Mosag war von durchschnittlicher Größe und Statur und wirkte auf den ersten Blick unsympathisch. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, seine Haut war einen Stich blasser als die der meisten Edur und es sah immer aus, als würde er die

Weitere Kostenlose Bücher