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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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einen großen Raum, der wie ein Thronsaal gestaltet war, obwohl der Thron – eine reich verzierte Scheußlichkeit mit hoher Lehne – einfach nur am Kopfende eines langen Tischs postiert war, und nicht auf einem erhöhten Podest stand.
    Türen in jeder Ecke des Raums, jede mit einem kunstvoll gearbeiteten Rahmen versehen. Eine fünfte schmale Tür war am hinteren Ende in die Wand eingelassen, wahrscheinlich lag dahinter einer der Gänge, die die Sklaven und Bediensteten benutzten.
    Es bestand kein Zweifel darüber, dass die Bewohner des Hauses inzwischen alle wach waren. Doch da sie Diener waren, da sie allesamt Schuldner waren, würden sie sich unter ihren Schlafkojen verstecken, so lange der Tumult andauerte.
    Sie machte sich zu jener letzten Tür auf. Der Gang dahinter war schmal und kaum beleuchtet. Links und rechts gab es Zellen, die mit einem Vorhang vom Gang abgetrennt waren. Die armseligen Unterkünfte des Dienstpersonals. Unter keinem der Vorhänge schimmerte Licht hervor, doch Shurq hörte aus einer der Zellen – etwa den halben Gang hinunter – ein schlurfendes Geräusch, und aus einer etwas näher liegenden Zelle auf der linken Seite drang ein unterdrücktes Keuchen.
    Sie schloss ihre Hand um den Griff des Messers, das sie sich an den linken Arm geschnallt hatte, und drückte die stumpfe Seite der Klinge fest gegen die Scheide, während sie es zog. Noch mehr erschreckte Atemzüge. Ein entsetzter Aufschrei.
    Mit langsamen Schritten ging sie den schmalen Gang entlang, blieb dann und wann stehen, doch niemals lange genug, um jemandem einen Schrei zu entlocken, bis sie zu einer T-förmigen Kreuzung kam. Zur Rechten gelangte man in die Küche, zur Linken befand sich ein Treppenhaus, das sowohl nach oben wie auch hinunter in den unterirdisch gelegenen Keller führte. Shurq drehte sich um und musterte den Gang, den sie gerade verlassen hatte. Mit so tiefer Stimme, wie es ihr möglich war, zischte sie: »Schlaft weiter. Hab nur mal ’ne Runde gedreht. Es ist niemand hier, meine Süßen. Entspannt euch.«
    »Wer ist da?«, fragte eine Stimme.
    »Wen kümmert das?«, antwortete eine andere. »Wie er schon gesagt hat, Prist, schlaf weiter.«
    Doch Prist war hartnäckig. »Es is’ nur, dass ich die Stimme nich’ erkannt hab …«
    »Na klar«, konterte der andere. »Und eigentlich bis’ du auch gar kein Gärtner, sondern ’n echter Held, stimmt’s, Prist?«
    »Ich sag doch nur, dass …«
    Shurq ging zurück und blieb vor Prists Vorhang stehen.
    Sie hörte, dass der Mann sich bewegte, doch er sagte nichts.
    Sie schob das schmutzige Leinen zur Seite und schlüpfte in den engen Raum. Er stank nach Kot und Dung. In der Dunkelheit konnte sie gerade noch eine große Gestalt ausmachen, die an der Rückwand kauerte und die Decke bis zum Kinn hochgezogen hatte.
    »Oh Prist«, murmelte Shurq – ihre Worte eher ein Hauch als ein Flüstern – und trat noch einen Schritt näher, »kannst du eigentlich auch mal still sein? Das will ich doch hoffen, denn ich habe vor, ein bisschen Zeit mit dir zu verbringen. Aber mach dir keine Sorgen«, fügte sie hinzu, während sie ihre Gürtelschnalle öffnete, »es wird dir Spaß machen.«
     
    Zwei Glockenschläge später hob Shurq ihren Kopf vom muskulösen Arm des Gärtners und konzentrierte sich darauf, trotz seines lauten Schnarchens etwas von draußen zu hören. Der arme Kerl war ziemlich schnell ausgelaugt und erschöpft gewesen – sie hoffte, dass das bei Ublala nicht der Fall sein würde –, und sein anschließendes Gewinsel und Gejammer hatte sie als widerlich empfunden. Als die schwachen Echos der Glockenschläge schließlich verklangen, senkte sich eine gediegene Stille herab.
    Bereits kurz nachdem Shurq in Prists Schlafzelle geschlüpft war, waren die Wachen zurückgekehrt. Sie waren laut gewesen, hatten Mutmaßungen angestellt und sich gestritten, was alles darauf hindeutete, dass Ublala die Flucht gelungen war; dass die Männer aber auch die Dienste des hauseigenen Heilers in Anspruch genommen hatten, schien darauf hinzudeuten, dass es noch ein paar Zusammenstöße gegeben hatte. Seitdem hatte sich die Lage wieder beruhigt. Das Anwesen war flüchtig durchsucht worden; die Unterkünfte der Dienerschaft waren allerdings nicht in diese Aktion einbezogen worden, was bedeutete, dass die Wachen nicht auf die Idee gekommen waren, dass der Angriff als Ablenkung gedient hatte, um jemandem Zutritt zum Anwesen zu verschaffen. Sie waren ziemlich sorglos. Ein Zeichen für einen

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