SdG 08 - Kinder des Schattens
geschnitten? Warum verfaulst du nicht langsam, so wie ich? Bist du mit Kräutern oder so was ausgestopft? Bist du geschminkt? Warum ist das Weiße in deinen Augen so weiß? Warum glänzen deine Lippen so?«
Shurq schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Ist das deine eine Frage?«
» Ja.«
»Wenn du willst, kann ich dich mit den Leuten bekannt machen, die für meine Erneuerung verantwortlich sind. Ich bin sicher, sie können das auch mit dir machen.«
»Tatsächlich? Einschließlich einer Maniküre?«
»Absolut.«
»Wie sieht es damit aus, meine Zähne spitz zuzufeilen? Du weißt schon, damit sie besonders scharf und schaurig aussehen.«
»Nun, ich weiß nicht, wie schaurig du schon mit einer neuen Frisur und perfekten Nägeln, dazu noch geschminkt und mit glänzenden Lippen aussehen würdest.«
»Aber scharfe Zähne? Glaubst du nicht, dass scharfe Zähne die Leute erschrecken werden?«
»Warum dann nicht noch ein bisschen mehr? Die meisten Menschen haben Angst vor verwesenden Dingen, vor allem, was vor Ungeziefer wimmelt und stinkt wie ein frisch ausgehobenes Grab. Fänge – und zu Krallen geschnittene Fingernägel.«
»Das gefällt mir. Ja, mir gefällt, wie du denkst.«
»Es ist mir ein Vergnügen. Und jetzt – muss ich mir wegen dieser Schutzzauber Sorgen machen?«
»Nein. Besser gesagt, ich kann dir zeigen, wo die ganzen Mechanismen für die Alarmvorrichtungen sind.«
»Wird dich das denn nicht verraten?«
»Mich verraten? Wieso – ich gehe natürlich mit dir. Vorausgesetzt, dass du uns beide hier herausbringen kannst.«
»Oh, ich verstehe. Ich bin sicher, dass wir das hinbekommen werden. Wie heißt du eigentlich?«
»Harlest Eberict.«
Shurq legte den Kopf schief. »Oh. Aber du bist schon vor zehn Jahren gestorben – behauptet zumindest dein Bruder.«
»Zehn Jahre? Das ist alles?«
»Ich glaube, er hat gesagt, du wärst die Treppe runtergefallen. Oder so was Ähnliches.«
»Die Treppe runtergefallen. Oder vom Balkon geworfen worden. Vielleicht auch beides.«
»Und was hast du getan oder nicht getan, um eine solche Strafe zu verdienen?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Nur, dass ich unfähig war.«
»Das war lange bevor Gerun dem König das Leben gerettet hat. Wie konnte er die Magie bezahlen, die notwendig war, um deine Seele an deinen Körper zu binden?«
»Ich glaube, er hat von jemandem, der ihm etwas schuldete, einen Gefallen eingefordert.«
Shurq drehte sich wieder zur Tür um. »Führt die da in sein Arbeitszimmer?«
»Nein, die führt ins Liebeszimmer. Du willst die da drüben.«
»Besteht die Gefahr, dass irgendjemand unser Gespräch hören kann, Harlest?«
»Nein. Die Wände sind sehr dick.«
»Eine letzte Sache noch«, sagte Shurq und beäugte Harlest. »Warum hat sich Gerun nicht mittels Magie deiner Loyalität versichert?«
Das bleiche, fleckige Gesicht verriet Überraschung. »Na ja, wir sind schließlich Brüder!«
Nachdem sie sämtliche Alarmvorrichtungen ausgeschaltet hatten, standen die beiden Untoten in Finadd Gerun Ebericts Arbeitszimmer.
»Richtiges Geld gibt es hier kaum«, sagte Harlest. »Es sind größtenteils Besitzurkunden. Er hat seinen Reichtum breit gestreut, um ihn zu schützen.«
»Das ist sehr klug. Wo ist sein Siegel?«
»Auf dem Schreibtisch.«
»Das wiederum ist sehr unklug. Tu mir einen Gefallen und such diese Urkunden zusammen.« Sie trat an den Schreibtisch und sammelte das schwere, verzierte Siegel und die dicken Wachsscheiben ein, die daneben aufgestapelt waren. »Hat dieses Wachs eine besondere Farbe?«,
»Oh ja. Er hat ein Vermögen dafür bezahlt.« Harlest war zu einer Wand gegangen und schob einen großen Gobelin beiseite, hinter dem sich ein in das Mauerwerk eingelassenes Schränkchen befand. Er löste ein paar Stolperdrähte und öffnete die kleine Tür. In dem Schränkchen befanden sich stapelweise zusammengerollte Dokumente und ein kleines, mit Juwelen besetztes Kästchen.
»Was ist in dem Kästchen?«, fragte Shurq.
Harlest hob es heraus und warf es Shurq zu. »Sein Bargeld. Wie ich gesagt habe, er hat nie viel davon hier.«
Sie untersuchte den Verschluss. Befriedigt, dass keine tödliche Falle damit verbunden war, schob sie ihn zu einer Seite und schlug den Deckel zurück. »Nicht viel? Harlest, dieses Ding ist voller Diamanten.«
Der Angesprochene trat zu ihr, die Arme voller Schriftrollen. »Tatsächlich?«
»Er hat anscheinend ein paar seiner Anteile ausgelöst.«
»Das muss er wohl. Ich frage mich nur,
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