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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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eines zerfetzten Segels herunterhingen. Speichelfäden, die aus seinem offen stehenden Mund troffen, als sie ihn zur Zitadelle getragen hatten.
    Edur hatten sich auf der Brücke versammelt. Am gegenüberliegenden Ufer, auf der Dorfseite, und sie waren auch aus den anderen Langhäusern der adligen Familien gekommen, die die Zitadelle umgaben. Hunderte von Edur, und noch mehr Letherii-Sklaven, die Zeugen geworden waren, stumm und gelähmt vor Entsetzen. Sie hatte gesehen, dass die meisten Edur danach in die Zitadelle gegangen waren. Die Sklaven schienen einfach verschwunden zu sein.
    Seren vermutete, dass Federhexe die Fliesen warf – wahrscheinlich an einem weniger leicht zugänglichen Ort als jener großen Scheune, in der sie beim letzten Mal das Ritual vollzogen hatte. Zumindest war niemand dort gewesen, als sie nachgesehen hatte.
    Und jetzt kroch die Zeit träge dahin. Buruks Lager und die Nerek, die zusammengekauert in ihren Zelten hockten, hatten sich in eine Insel im Nebel verwandelt – eine Insel inmitten des Unbekannten.
    Sie fragte sich, wo Hull wohl hingegangen sein mochte. Es gab Ruinen im Wald und Gerüchte über seltsame Artefakte mehrere Tagesreisen im Nordosten – manche von ihnen sollten gewaltig sein und große Areale umfassen. Dieser Wald war so alt, dass sein Boden mit Geschichte getränkt war. Zerstörung und Auflösung beendeten jede Runde des Zyklus, und der Zusammenbruch lieferte der erschöpften Welt die mannigfaltigen Teile, aus denen neue Ganzheit erlangt werden konnte.
    Doch Heilung wurde nur dem Land zuteil. Jenen, die in diesem Land lebten, war sie nicht garantiert. Die einzelnen Arten endeten, das letzte Exemplar einer besonderen Tierart, der letzte Angehörige einer besonderen Rasse, jeder von ihnen lebte eine gewisse Zeit allein. Bis sich eben diese Augen das allerletzte Mal schlossen.
    Seren war bestrebt, an dieser Sicht der Dinge festzuhalten. Sie trachtete verzweifelt nach der ruhigen Weisheit, die sie versprach, nach dem Frieden, der zu einem erweiterten Blickwinkel gehörte. Wenn die Entfernung groß genug war, konnte selbst eine Gebirgskette flach wirken, waren die Täler zwischen den einzelnen Gipfeln nicht mehr zu erkennen. Auf dieselbe Weise konnte man auch Leben und Tod, die Gipfel und Täler der Sterblichkeit, einebnen. Wenn sie so dachte, konnte sie ihre drohende Panik leichter im Zaum halten.
    Und das wurde immer wichtiger.
    »Und wo im Namen des Abtrünnigen bleibt die Delegation?«, fragte Buruk.
    »Sie müssen die ganze Strecke von Trate aus vor dem Wind halsen«, sagte Seren. »Sie kommen schon noch.«
    »Mir wäre es lieber, sie wären gekommen, bevor das alles angefangen hat.«
    »Fürchtet Ihr, Rhulad könnte eine Gefahr für die Verhandlungen darstellen?«
    Buruk starrte weiter unverwandt in die Flammen. »Es war das Schwert … das Schwert hat ihn wiederbelebt«, sagte er leise. »Oder derjenige – wer auch immer das sein mag –, der es geschaffen und den Edur geschickt hat. Habt Ihr einen Blick auf die Klinge geworfen? Sie ist fleckig. Ich musste unwillkürlich an eine der Töchter denken, die sie verehren – die getüpfelte, wie heißt sie nochmal?«
    »Sukul Ankhadu.«
    »Vielleicht gibt es sie ja wirklich. Eine Göttin der Edur …«
    »Dann ist es ein zweifelhaftes Geschenk, denn die Edur betrachten Sukul Ankhadu als eine launische Kreatur – und fürchten sie. Sie verehren Vater Schatten und Tochter Duster, Sheltatha Lore. Und für das tägliche Leben mehr die Letztere als den Ersteren.« Seren trank den Tee aus und füllte den Zinnbecher erneut. »Sukul Ankhadu. Ich könnte mir vorstellen, dass das möglich ist, obwohl ich mich an keine einzige Geschichte erinnern kann, in der sich die Götter und Göttinnen der Edur auf so direkte Weise manifestiert hätten. Es ist mir immer eher wie Verehrung der Ahnen vorgekommen – die Gründer der Stämme, die dann in den Stand von Heiligen erhoben wurden, irgendwas in der Art.« Sie trank einen Schluck und verzog das Gesicht.
    »Das Zeug wird Euch Löcher in den Bauch brennen, Freisprecherin.«
    »Zu spät, Buruk.«
    »Nun, wenn es nicht Ankhadu war, wer dann? Das Schwert muss schließlich irgendwoher gekommen sein.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und es klingt auch nicht so, als ob es Euch sonderlich kümmern würde. Diese Teilnahmslosigkeit passt nicht zu Euch, Freisprecherin.«
    »Das ist keine Teilnahmslosigkeit, Buruk, das ist Klugheit. Ich bin überrascht, dass Ihr den Unterschied nicht erkennen

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