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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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die ihm Schriftrollen unter die Nase hielten, in denen zahllose Änderungen und Besonderheiten beschrieben waren, die seiner Zustimmung bedurften. Ein Glockenschlag verstrich, bis es ihm endlich gelang, seine Pläne niederzulegen und zu entkommen.
    Die Stadtstraße, die irgendwann in die Straße überging, die zur Kiesgrube führte, war eine der Hauptverkehrsstraßen, und sie verlief parallel zum Kanal. Es war außerdem auch eine der ältesten Straßen der Stadt. Entlang einer überschwemmten Strandlinie aus in Lehm versiegelten Kieseln und Steinen gebaut, waren die Gebäude, die an ihrem Rand standen, nicht in sich zusammengesunken und verfallen, wie so häufig in vielen anderen Bereichen der Stadt. Viele von ihnen waren über zweihundert Jahre alt und in einem Stil errichtet, der schon so lange vergessen war, dass er beinah fremdartig wirkte.
    Das Schuppenhaus war hoch und schmal und stand eingequetscht zwischen zwei wuchtigen steinernen Gebäuden – dem Archiv eines Tempels und dem monolithischen Herz der Gilde der Straßenmeister. Einige Generationen zuvor hatte ein besonders fähiger Steinmetz die Kalksteinfassade und den offiziellen, von Säulen flankierten Eingang mit liebevoll ausgeführten Ratten verziert. Ratten in so gewaltiger Zahl, dass sie kaum zu zählen waren. Herumtollende Ratten, tanzende Ratten, unzüchtige Ratten. Ratten, die Krieg führten, sich ausruhten, sich an Leichen gütlich taten oder inmitten schlafender Promenadenmischungen und betrunkener Diener über festlich gedeckte Tische schwärmten. Schuppige Schwänze bildeten komplizierte Begrenzungen zwischen den einzelnen Szenen, und als Bagg die Stufen hinaufstieg, war ihm auf eigenartige Weise, als würden die Ratten sich bewegen – als bewegten sie sich am Rande seines Blickfelds, als wanden sie sich und grinsten ihn an.
    Er schüttelte sein Unbehagen ab, hielt einen kurzen Moment auf dem Treppenabsatz inne, öffnete dann die Tür und schritt hindurch.
    »Wie viele, wie schlimm, wie lange?«
    Ein Tisch aus massivem grauem Marmor aus Blaurose blockierte beinahe den Eingang zur Empfangshalle; er zog sich quer durch den ganzen Raum und ließ nur am äußersten rechten Rand einen schmalen Durchgang. Der Sekretär, der dahinter saß, hatte bislang noch nicht von seinem Hauptbuch aufgeblickt. Nach einem kurzen Moment fuhr er fort: »Beantwortet die Fragen, dann sagt uns noch, wo und was Ihr zahlen wollt und ob dies eine einmalige Angelegenheit ist oder ob Ihr an regelmäßigen monatlichen Besuchen interessiert seid. Und merkt Euch, dass wir im Augenblick keine Kontrakte annehmen.«
    »Nein.«
    Der Sekretär legte seine Feder beiseite und blickte auf. Kleine, dunkle Augen glitzerten misstrauisch unter einer einzigen borstigen Augenbraue hervor. Tintenfleckige Finger zerrten an seiner Nase, die zu zucken begonnen hatte, als müsste der Mann gleich niesen. »Wir sind nicht verantwortlich.«
    »Wofür?«
    »Für was auch immer.« Der Mann zerrte erneut an seiner Nase. »Und wir nehmen auch keine zusätzlichen Petitionen mehr an; wenn Ihr also hier seid, um eine zu übergeben, könnt Ihr genauso gut auf der Stelle kehrtmachen und wieder gehen.«
    »Welche Art von Petition könnte ich Euch denn vielleicht aushändigen wollen?«, fragte Bagg.
    »Alle möglichen. Streitlustige Mietshausgemeinschaften müssen sich genauso hinten anstellen wie alle anderen.«
    »Ich habe keine Petition.«
    »Dann haben wir es nicht getan, wir waren niemals dort, Ihr habt etwas Falsches gehört, es war jemand anders.«
    »Ich bin im Auftrag meines Herrn hier, der sich mit Eurer Gilde zu treffen wünscht, um über einen Kontrakt zu sprechen.«
    »Wir sind voll ausgelastet. Wir nehmen keine neuen Kontrakte mehr an –«
    »Der Preis spielt keine Rolle«, unterbrach ihn Bagg lächelnd, »… innerhalb eines vernünftigen Rahmens.«
    »Oh, aber dann spielt er doch eine Rolle. Wir könnten sehr wohl einen unvernünftigen Rahmen im Kopf haben. Das haben wir oft, versteht Ihr?«
    »Ich glaube nicht, dass mein Herr an Ratten interessiert ist.«
    »Dann ist er verrückt …, aber interessant. Der Ausschuss wird heute Abend wegen einer anderen Angelegenheit zusammentreten. Eurem Herrn wird eine kurze Zeitspanne am Ende des Treffens gewährt, was ich auch in der Tagesordnung notieren werde. Sonst noch etwas?«
    »Nein. Wann heute Abend?«
    »Zum neunten Glockenschlag, nicht später. Wenn er zu spät kommt, wird er vor verschlossenen Türen stehen. Sorgt dafür, dass ihm das klar

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