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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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aussehen würde.«
    Brys sagte nichts.
    Der Schreiber musterte den Finadd längere Zeit, und schließlich erschien auf seinem Gesicht ein entschuldigender Ausdruck. »Wir hier sind voll des Lobes über die Rattenfängergilde, mein Herr.«
    »Ich danke Euch für Eure Bemühungen«, sagte Brys. »Ich finde schon allein hinaus. Einen schönen Tag noch.«
    »Euch auch, mein Herr. Ich bin erfreut, dass ich Euch zu Diensten sein konnte.«
    Draußen im Korridor blieb Brys kurz stehen und rieb sich die Augen. In Archiven gab es immer viel zu viel Staub. Er musste nach draußen, dorthin, wo es das gab, was in Letheras als frische Luft galt.
    Siebentausend Vermisste jedes Jahr. Er war entsetzt.
    Worüber ist Tehol da schon wieder gestolpert? Sein Bruder würde für Brys immer ein Geheimnis bleiben. Offensichtlich hatte Tehol etwas vor, auch wenn der äußere Anschein dies nicht vermuten ließ. Und irgendwie war er hinter den Kulissen noch immer außergewöhnlich einflussreich. Jener allzu öffentliche Absturz, der so schockierend und traumatisch für die Burse gewesen war, kam Brys jetzt wie eine weitere Finte im größeren Plan seines Bruders vor – wobei er keine Ahnung hatte, wie besagter Plan aussehen mochte.
    Allein schon der Gedanke, ein solcher Plan könnte existieren, bereitete Brys Sorgen. Sein Bruder hatte sich gelegentlich als erschreckend effektiv und ruchlos erwiesen. Tehol war fast niemandem gegenüber loyal. Ihm war alles zuzutrauen.
    In Anbetracht dieser Umstände schien es Brys umso besser, je weniger er von Tehols Aktivitäten wusste. Er wollte seine eigene Loyalität nicht in Gefahr bringen, und sein Bruder konnte genau das sehr wohl heraufbeschwören. Es ist genau wie bei Hull. Oh Mutter, es ist ein Segen des Abtrünnigen, dass du nicht mehr am Leben bist, um deine Söhne jetzt sehen zu können. Aber andererseits – hast du uns nicht zu dem gemacht, was wir jetzt sind?
    Fragen ohne Antworten. In diesen Tagen schien es viel zu viele davon zu geben.
    Er begab sich in die vertrauteren Bereiche des Palasts. Als Nächstes standen die Waffenübungen auf dem Plan, und er stellte fest, dass er sich auf diese Zeit glückseliger Erschöpfung freute. Und wenn auch nur, weil sie seine viel zu lauten Gedanken zum Schweigen bringen würde.
     
    Tot zu sein, hatte einige ganz eindeutige Vorteile, überlegte Bagg, als er den Pflasterstein vom Boden des Büros des Lagerhauses hob; ein schwarzes, gähnendes Loch kam zum Vorschein – und die oberste Sprosse einer zerfressenen Bronzeleiter. Schließlich brauchten tote Flüchtlinge weder etwas zu essen noch Wasser. Und auch keine Luft. Was es beinahe mühelos machte, sie zu verstecken.
    Er stieg die Leiter hinunter, dreiundzwanzig Sprossen, und gelangte in einen Tunnel, der grob aus dem Lehm gehauen und dann gebrannt worden war, um die Wände hart zu machen. Zehn Schritte führten ihn zu einem krummen steinernen Torbogen, unter dem sich eine mit Hieroglyphen übersäte, von Rissen und Sprüngen durchzogene Steintür befand. Alte Gräber wie dieses waren selten. Die meisten von ihnen waren schon lange unter dem Gewicht der auf ihnen lastenden Stadt eingestürzt oder so tief im Schlamm versunken, dass sie unerreichbar waren. Gelehrte hatten versucht, die merkwürdigen Zeichen auf den Türen der Gräber zu entziffern, während das einfache Volk sich lange gefragt hatte, warum Gräber überhaupt so etwas wie Türen hatten. Die Sprache war nur zu einem kleinen Teil entschlüsselt worden, doch das wenige hatte bereits genug davon verraten, dass die Glyphen fluchbeladen und auf irgendeine geheimnisvolle Weise auf den Abtrünnigen bezogen waren. Alles in allem gab es genügend Gründe, einen Bogen um sie zu machen, vor allem, seit in ein paar der Gräber eingebrochen worden und dadurch bekannt geworden war, dass sie nichts Wertvolles enthielten und dass ihre einzige Besonderheit darin bestand, dass der schlichte Steinsarkophag, den jedes Grab beherbergte, leer war. Dazu kamen die nicht bestätigten Gerüchte über das schreckliche Schicksal, das alle Grabräuber wenig später ereilt haben sollte.
    Die Tür zu diesem besonderen Grab hatte ihr Siegel eingebüßt, als das ganze Bauwerk ungleichmäßig abgesackt war. Schon mit einer leichten Anstrengung ließ sie sich zur Seite schieben.
    Im Tunnel machte Bagg eine Laterne an – wozu er eine kleine Schachtel mit glühenden Kohlestückchen benutzte – und setzte sie auf der Schwelle zum Grab ab. Dann drückte er seine Schulter gegen

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