SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)
einen kurzen, undurchdringlichen Blick zu. »Warum fragen Sie?«
»Na ja, gut möglich, dass ich’s vermasselt habe, als ich Eric am Telefon zur Rede stellen wollte.« Lia biss sich auf die Unterlippe.
»Sie haben Kontakt zu dem Verdächtigen aufgenommen?«, hakte die Agentin nach.
»Ja, als Penny mir von dem Notizbuch erzählt hat, bin ich irgendwie ausgeflippt«, gestand Lia. Was vermutlich eine ziemliche Untertreibung darstellte. Sie war außer sich darüber gewesen, dass ihr Vater, den sie von ganzem Herzen bewundert hatte, ausgerechnet von seinem Freund und Partner ermordet worden war. Sein Tod hatte einen Schatten über die vermeintlich besten Jahre ihres Lebens geworfen.
Hannah griff nach einem Stift. »Was genau haben Sie zu Eric Tomlinson gesagt?«, fragte sie, den Stift über einem Notizblock schreibbereit in der Hand.
»Ich habe mich mit meinem Namen gemeldet.«
»Und?«
»Er … klang überrascht. Dann habe ich ihn gefragt, ob er, nach dem, was er getan hat, nachts gut schlafen könne.«
»Das Rizin haben Sie nicht erwähnt?«
»Nein, aber ich glaube, er wusste genau, worauf ich hinauswollte.«
Hannah notierte sich etwas. »Und was hat er gesagt?«
»Man konnte ihn schwer verstehen, weil er so stottert. Aber es hörte sich ungefähr an wie: Das werden Sie noch bereuen.« Davon hatte sie Penny allerdings nichts erzählt.
»War es das einzige Mal, das Sie mit ihm gesprochen haben?«, wollte die FBI -Agentin wissen.
»Nicht ganz. Ich bekam danach Anrufe von ihm. Damit das aufhört, habe ich meine Wohnung untervermietet und bin zu meiner Schwester gezogen, aber gestern Abend hat er dort angerufen.« Bei der Erinnerung daran fröstelte sie.
»Was sagt er denn, wenn er sie anruft?«
»Nicht viel«, erklärte Lia. »Er kriegt ja kaum ein Wort raus.«
Hannah Lindstrom klopfte mit ihrem Stift auf den Notizblock. »Wir stellen niemanden für den Personenschutz ab«, beantwortete sie dann Lias vorangegangene Frage. »Wenn ein Zeuge eines Kriminalfalls eingeschüchtert wird, bitten wir den United State Marshals Service um Zeugenschutz. Aber das kommt in Ihrem Fall nicht infrage.«
Lia fühlte sich getadelt und errötete.
»Wenn Sie sich bedroht fühlen, können Sie Ihre Telefongesellschaft damit beauftragen, den Anrufer zu identifizieren«, schlug die Frau vor. »Für die Polizei fällt so etwas unter Belästigung.« Sie zog eine Visitenkarte aus einem Ständer auf dem Schreibtisch. »Hier, meine Karte. Lassen Sie es mich wissen, wenn Ihnen noch etwas zu dem Rizin einfällt.«
»Mach ich«, sagte Lia und ließ die Karte in ihrer Handtasche verschwinden. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz, als ihr aufging, dass das FBI nicht schon an diesem Abend zu Erics Verhaftung eilen würde. »Gut, und jetzt?«, fragte sie.
»Ich sehe mir die Akten vom ersten Ermittlungsverfahren an und melde mich dann bei Ihnen. Ihre Kontaktdaten habe ich ja«, antwortete Hannah mit einem Hinweis auf das Anmeldeformular, das Lia im Wartebereich ausgefüllt hatte. »Ich nehme an, Sie bleiben erst mal bei Ihrer Schwester?«
»Ja«, bestätigte Lia und verzog das Gesicht. Sie wäre gern in ihre Wohnung zurückgekehrt, konnte sich das im Moment aber überhaupt nicht leisten.
Als sie das Gebäude verließ und zu ihrem Auto ging, fühlte sie sich verwundbar, obwohl sie das Pfefferspray beim Hinausgehen wieder ausgehändigt bekommen hatte. Nachdem sie losgefahren war, blieb sie kurz darauf im dichten Verkehr aus Richtung des Marinestützpunkts in Norfolk stecken.
»Was sind das für Marines, die schon um drei Uhr nachmittags frei haben?«, schimpfte sie, weil sie so schnell wie möglich zurück nach Virginia Beach und zu Penny wollte.
Sie hatte sich mit dem Notizbuch nicht sicher gefühlt. Doch jetzt, da es beim FBI lag, fühlte sie sich seltsamerweise noch weniger sicher.
Es war ein trostloser, bewölkter, aber nicht besonders kalter Oktobertag. Trotzdem fröstelte Lia und drehte die Heizung ihres Oldsmobile auf. Ständig sah sie in den Rückspiegel und beobachtete die Fahrer hinter sich.
Würde sie Eric nach all den Jahren überhaupt noch wiedererkennen? Sie war ihm nur ein paarmal begegnet, wenn er mit seiner Frau zum Weihnachtsessen ihres Vaters in ihrem Haus vorbeigeschaut hatte. Sie würde durchdrehen, wenn er jetzt hinter ihr auftauchte. Aber was konnte er ihr schon antun? Sie von der Straße abdrängen und aus dem Wagen zerren? Wenn er das tat, würde sie ihn mit ihrem Pfefferspray erledigen.
Sie besaß es jetzt
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