Sebastian
diesem Garten aus Ephemera entstehen lassen konnte.
Aber als sie einen Monat später mit ein paar Schülern durch die Gärten ging, bemerkte sie ein schwarzhaariges Mädchen, das vor dem versiegelten Tor stand.
»Was tust du da?«, fragte Lukene. »Du weißt doch, dass kein Schüler …« Ihre Stimme erstarb, als sich das Mädchen umdrehte und sie ansah.
»Das ist also der Grund, aus dem niemand gekommen ist, um meine Arbeit anzusehen«, sagte Glorianna.
»Vielleicht«, antwortete Lukene vorsichtig - sie bemerkte, dass ihre Schüler langsam unruhig wurden, »jetzt, da du den Weg zurück gefunden hast.«
Glorianna schüttelte den Kopf. »Nein. Es gibt nichts, was ich noch von euch wollen könnte. Ihr habt beschlossen, mich einzuschließen. Jetzt schließe ich euch aus.«
»Ich wollte dich nicht einschließen!«
Das Mädchen lächelte traurig. »Nein, das wolltest du nicht. Auf Wiedersehen, Lukene. Reise leichten Herzens.«
Als Glorianna sich abwandte, um zu gehen, fragte eine der Schülerinnen: »Wer bist du?«
Sie hielt inne, sah sich um und sagte: »Ich bin Belladonna.« Dann ging sie fort - und war seitdem in der Schule nie wieder gesehen worden.
Lukene wischte sich die Tränen von den Wangen und begann zu laufen. Sie achtete nicht darauf, wohin sie ging, sie lief nur um der Bewegung willen.
Es gab nichts, was sie hätte tun können, damals nicht, und heute auch nicht. Aber der Fehler, den sie alle vor fünfzehn Jahren begangen hatten, lag ihr noch heute so schwer auf der Seele, dass sie manchmal meinte, daran ersticken zu müssen.
Es gab sieben Stufen der Erschaffung, sieben Stufen, um die Macht zu nutzen, welche die Menschen und die Welt davor schützte, dass die Wünsche eines jeden Herzens Wirklichkeit wurden. Und dann gab es noch Glorianna Belladonna. Wenn sie nur …
Plötzlich von einem Gefühl der Angst ergriffen, blieb Lukene stehen und blickte sich um.
Was hatte sie dazu bewegt, diesen Pfad einzuschlagen? Warum hatte sie bloß das Gefühl, alles sei aus dem Gleichgewicht geraten? Es fühlte sich an, als ob die dunkle Resonanz, die sonst von der Anwesenheit so vieler Landschafferinnen überlagert wurde, aus dem verbotenen Garten herausströmte, im Boden versickerte und sich dann ausbreitete, um den Rest der Schule zu verseuchen. Und sie war stark. Sehr stark.
Aber das war unmöglich. Undenkbar. Sie war nur empfindsamer gegenüber der Anwesenheit, die im Hintergrund des Schulalltags immer zu spüren war. Wahrscheinlich war das Gefühl nichts weiter, als eine Reaktion auf ihren Streit mit Nigelle und ihre Gedanken an Glorianna.
Aber sie eilte dennoch den kaum benutzten Pfad entlang, und als sie den Torbogen erreichte und sah, dass das schmiedeeiserne Tor offen stand, erstarrte sie für einen Moment.
Dann fuhr sie herum, um zu den Schulgebäuden zurück zu laufen und alle zu warnen, weil das Undenkbare geschehen war.
Ist das Undenkbare denn geschehen?
Ein Gedanke gleich einem Flüstern. Leise, beruhigend, schmeichelnd.
Lukene zögerte und drehte sich um, um durch den Torbogen zu blicken.
Wenn sie jetzt zurücklief, was sollte sie der Schulleiterin erzählen? Sollte sie wirklich sagen, dass jemand das alte Tor geöffnet hatte? Das würde sowohl in der Lehrerschaft der Landschafferinnen als auch unter den Brückenbauern einen Aufruhr verursachen, aber das würde schließlich niemandem weiterhelfen. Und sie wusste noch nicht einmal, ob jemand das Tor geöffnet hatte.
Du willst doch nicht noch einen Fehler machen, flüsterte ihr die Stimme zu. Lukene schüttelte den Kopf. Nein, sie wollte keine Fehler mehr machen.
Sie trat durch den Torbogen - und der Gestank nach fauligem Fleisch raubte ihr beinahe den Atem.
Keine Fehler mehr, flüsterte die Stimme. Deine Fehler belasten dich. Sie ersticken dich.
Pilze zerplatzten, als Lukene in ihrer Hast, das Tor zu erreichen, über sie hinweg schritt. Nur ganz schnell nachschauen, um sicherzugehen, dass sich nichts verändert hat, dachte sie, als sie sich durch die Toröffnung quetschte. Dann würde sie der Schulleiterin Bericht erstatten, die wiederum ein paar Arbeiter dazu abstellen könnte, um das Tor auszubessern. Kein Grund zur Sorge. Nichts zu befürchten.
Der Anblick des winzigen Lochs in der alten Steinmauer ließ ihr Herz schneller schlagen.
»Nein«, flüsterte sie. »Oh nein.«
Rennend legte sie die kurze Strecke zum Torbogen zurück. Doch eine Bewegung auf der Mauer lenkte sie ab, ließ sie aufblicken, brachte sie zum Stolpern und
Weitere Kostenlose Bücher