S.E.C.R.E.T. 1
riesige, glitzernde Schneeflocken an der Decke aufzuhängen. Kay war alles andere als begeistert. »Ich weiß nicht, inwieweit Schneeflocken zum Märchen-Motto passen, aber was sollen wir sonst aufhängen? Feen?«
Ich stellte mir vor, wie Tracina von der Decke herabbaumelte, und musste grinsen. Doch das Lachen verging mir, als Kay mir über den Rand ihrer Brille hinweg einen kritischen Blick zuwarf.
»Wo wollen Sie den Stand aufbauen? Doch hoffentlich nicht hier drinnen!«
»Da hinten, dachte ich«, antwortete ich und deutete auf den hinteren Teil des Saales.
» Nein ! Ich will nicht, dass die Leute unser herrliches Dinner mit einer schmutzigen Geld-Sammelaktion verwechseln! In der Nähe der Garderobe, bitte. Und wo sind Ihre Utensilien?«
»Utensilien? Mir war nicht klar, dass –«
Kay schnaubte gereizt. »Ich werde Ihnen ein paar Angestellte schicken, die Ihnen helfen.«
Als Tracina eintrudelte, aufgedonnert mit weißem Tutu und Diadem, war der Stand aufgebaut und fertig. Ich saß bequem hinter dem hohen Tisch.
»Wo ist Will?«, fragte ich sie so beiläufig wie möglich.
»Sucht einen Parkplatz für den Lieferwagen. Ich hole mir jetzt einen Drink. Willst du auch einen?«
»Ich bin versorgt, danke.«
Die ersten Gäste kamen an. Ich entdeckte ein Schneeweißchen, verschiedene Scarletts, einen Rhett Butler, zwei Draculas, einen Ali Baba und einen Harry Potter. Es gab eine Dorothy, einen Verrückten Hutmacher, einen Pirat Blackbeard, einen mörderischen Ritter Blaubart. Ich sah auf meinen ausgestellten Rock und die einfache Bluse hinab. Vielleicht hätte ich meiner Kleidung doch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Nun, meine Aufgabe bestand darin, Stifte bereitzuhalten und die Kreditkartenbelege zu sammeln. Schließlich war ich nicht hier, um Männer kennenzulernen. Ich engagierte mich für eine gute Sache, sonst nichts.
Als ich gerade ein zweites Banner hinter dem Stand befestigte, hörte ich ein »Cassie, hallo, hier!« hinter mir. Eine wunderschöne Frau, die als Scheherazade verkleidet war, winkte mir aus der wartenden Menge zu. Es war Amani, die winzige indische Ärztin, die an meinem ersten Tag im S.E.C.R.E.T. -Hauptquartier neben mir gesessen hatte. Sie sah großartig aus: Verschiedene übereinandergeschichtete rote und pinkfarbene Tücher umhüllten ihren fast sechzigjährigen Körper, der immer noch weiblich geformt und auffallend schön war. Doch das Auffälligste an ihr waren die schwarz geschminkten und übermütig funkelnden Augen, die von einem leuchtend roten Schleier umrahmt wurden.
»Was tun Sie denn hier?«, fragte ich. Es war seltsam, ein Mitglied der S.E.C.R.E.T. -Organisation in der Öffentlichkeit zu treffen.
»Ob Sie es glauben oder nicht, unsere kleine Gruppe spendet jährlich sehr großzügig für diese gute Sache, aber nicht unter unserem Namen. Hier«, fügte sie hinzu und schob mir einen Umschlag zu. Ich dankte ihr für die Spende. »Matilda ist ebenfalls auf dem Weg hierher. Sie können sie gar nicht verfehlen. Sie ist als gute Fee verkleidet. Natürlich.«
Bevor ich antworten konnte, stand Kay an meiner Seite und beobachtete, wie ein Gast nach dem anderen den Umschlag in die Kiste auf dem Tisch steckte. »Dr. Lakshmi«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Sie sehen einfach fantastisch aus.«
»Danke, Kay«, sagte Amani mit einer leichten Verbeugung. »Ich hoffe, ich sehe Sie bald wieder, Cassie.«
Kay fragte nicht, woher ich ein hochgeschätztes Mitglied der Gemeinde so gut kannte, dass wir uns mit Vornamen ansprachen. »Die Auktion hat noch nicht begonnen, und es sieht jetzt schon so aus, als ob wir unser Ziel erreicht hätten«, bemerkte sie.
»Hoffentlich.«
Das Dinner bestand aus extravaganten sechs Gängen, alles lokale Spezialitäten: Hummer Étouffée aus Louisiana, Maisgrütze mit Trüffeln und Brandy sowie Filet Mignon mit Krebs-Bearnaise. Das Dessert war ein gehaltvoller Brotpudding, der mit Crème Fraîche und essbaren Goldflocken garniert war. Als alle gegessen hatten, war meine Schicht zu Ende. Aber ich war neugierig, wie die Auktion laufen würde, neugierig, wer Will gewinnen würde.
»Okay, Zeit, mit den Geboten zu beginnen!«, rief Kay und eilte nach vorn. »Wir können nicht länger auf ihn warten.« Sie meinte Pierre Castille. Tracina war offenbar nicht die einzige Frau, die darauf hoffte, etwas Zeit mit ihm zu verbringen.
Ich beobachtete, wie die weiblichen Bietenden sich in der Nähe der Bühne versammelten, wo Kay die Männer für die
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