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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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ernst wie wir hier alle herumsaßen und warteten. Das ganze Haus, der ganze Tag, das ganze Dorf dahinter beugten sich über ihr Bett und hielten sich bereit. Wie würde es wohl sein? Ob eine fast tote Großmutter wohl ein schrecklicher Anblick war? Ich befürchtete es, weil Mum und Dad so schweigsam und still neben mir saßen.
    Mit einem Rascheln ihres braunen Kleides tauchte Tante Rose im Türeingang auf. Ihr Gesicht war blass und spitz. Sie scheuchte uns mit einer Hand aus der Wohnstube hinaus, als hätten wir sie verärgert. «Sie ist sehr müde», sagte sie und sprach wie zum Beweis selbst mit matter Stimme. «Ihr könnt nicht lange bleiben.»
    Sie führte uns ins Krankenzimmer und blieb neben dem Türeingang stehen. «Es ist Froman, Mum», sagte sie vorwurfsvoll, «mit Gussy und den ganzen Kindern.» Sie wandte sich um und fuchtelte wieder mit der Hand in unsere Richtung, als sollten wir vortreten, um uns eine Tracht Prügel abzuholen.
    Mum schob uns Kinder ins Zimmer. Ann Jelly führte die Reihe an, die sich neben dem Bett aufstellte. Darin lag eine winzige Person, kaum größer als eine Puppe. Tatty schubste mich nach vorn; die anderen schoben mich weiter; Ann Jelly umklammerte meine Schultern. Leblos lag Großmutter Prouts blassgelbe Hand auf der Bettdecke.
    «Froman», sagte Grandma. Was für eine Erleichterung, dass sie noch sprechen konnte! Ihr Gesicht jagte mir Angst ein, weil es so zerfallen und zerklüftet war, dass ich befürchtete, es könnte gleich vollständig zerbröseln. Die Rüschenborte ihrer Nachthaube bemühte sich vergebens, von ihrer furchteinflößenden Erscheinung abzulenken.
    «Mum», sagte Dad mit einer leichten Verbeugung. An jedem anderen Ort hätten die älteren Mädchen ihn ausgelacht, doch hier in einem Raum mit Großmutter und ihrem herannahenden Tod brachte keins von ihnen auch nur ein Kichern zustande.
    «Und Augusta?», presste Grandma hervor. Es schien grausam von Mum, einen Namen mit so vielen Silben zu haben, durch die sich die alte Dame hindurchquälen musste.
    «Grandma», sagte Mum, als wäre ihr diese Anrede ebenso zuwider, auch wenn sie ihr leichter über die Lippen ging.
    «Und alle Kleinen.» Grandmas Blick glitt die Reihe der größeren Mädchen entlang. «Nicht nötig, mir ihre Namen noch mal aufzuzählen. Es sind einfach zu viele, und warum sollte ich sie mir jetzt noch merken?»
    «Mum, nun sag doch so was nicht!», flötete Tante Baxter. Lachend zupfte sie die Steppdecke an Grandmas Ellbogen zurecht.
    Grandmas farblose Augen musterten nun die drei Kleineren von uns. Als ihr Blick den meinen traf, hielt sie inne. Bislang hatte sie Interesse vorgetäuscht, doch damit war jetzt Schluss. Sie schürzte die Lippen, die Falten glitten direkt hinterher wie beim Zusammenziehen eines Zugschnurbeutels. «Also die hier, die Kleinste», quetschte sie mit trockener, brüchiger Stimme hervor, «die gefällt mir gar nicht. Ist irgendwie aus der Art geschlagen, sieht nach Mischling aus.»
    «Das ist unsere Misskaella», sagte Dad mit seiner besänftigenden Stimme. «Mit Missk ist alles in Ordnung.» Doch Mum wich zurück und beäugte mich stirnrunzelnd, als sähe sie mich zum ersten Mal.
    «Die kommt nach denen, sag ich euch», meinte Großmutter. «Man sieht’s an der Nase und dem Mund, an ihrer ganzen Art. Ist nicht zu leugnen. Wird schwer sein, sie zu verheiraten – sofern überhaupt noch Männer auf Rollrock Island übrig sind, nachdem dieser Schwarm von Töchtern unter der Haube ist. Was für eine Ansammlung! Nur ein einziger Junge – und noch dazu übellaunig, so wie der guckt.»
    «Das ist Billy», sagte Dad nun etwas gereizter. «William, nach deinem Großvater. Er hat ein wenig Angst vor dir, Grandma, deshalb guckt er so.»
    «Hmpf.»
    Sie machte einem wirklich Angst, diese Großmutter-Puppe. Ich hatte geglaubt, ein sterbender Mensch wäre schwach und sanft – und traurig, weil er gehen musste. Doch sie hatte zu allem eine Meinung und dazu keine Manieren. Sie konnte sagen, was sie wollte; weil sie so alt war und im Sterben lag, hatte sie das Recht dazu. Ich merkte, dass ich mit offenem Mund dastand, während ich ihr nächstes Urteil abwartete, und klappte ihn schnell zu – womit ich wieder Grandmas Blick auf mich zog.
    «Ja», sagte sie angewidert, «man sieht es ganz deutlich, wenn man sie mit den anderen vergleicht. Ist sie ein Nachzügler?»
    «Sie ist vier Jahre nach Tatty gekommen, unserer Zweitjüngsten», sagte Mum.
    «Das war also das Problem», sagte

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