Seehunde in Gefahr
befühlte Lukas den Sand unter sich. Er war tatsächlich so fein, wie Richard gesagt hatte.
Aus den Augenwinkeln sah Lukas, wie Viola aufihn zuschlich, doch er tat so, als sehe er sie nicht. Dann griff er blitzartig nach ihrem Knöchel und zog so lange, bis sie
neben ihm im Sand landete.
»Na siehst du? Ich krieg dich doch«, rief er und stupste Viola in die Seite.
»Das ist unfair!«, sagte sie empört, aber Lukas grinste sie nur an. Er half ihr hoch und zog sie hinter sich her zum Strandkorb
zurück, wo seine Mutter und Richard sich schon eingerichtet hatten.
»Der ist für euch«, sagte Richard und zeigte auf den zweiten Strandkorb. Erschöpft ließen Lukas und Viola sich hineinfallen.
Doch Viola konnte nicht lange still sitzen.
»Gehst du mit mir ins Wasser?«, fragte sie nach ein paar Minuten.
Lukas schüttelte den Kopf. »Vielleicht später«, sagte er und holte seinen MP 3-Player aus dem Rucksack.
»Ich geh mit dir.« Richard sprang auf und nahm seine Tochter an der Hand.
»Wartet, ich komme mit«, rief Lukas’ Mutter und lief den beiden hinterher.
Lukas steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und blendete alle Geräusche aus. Mit den Füßen klopfte er den Takt der Musik
mit und beobachteteseine Mutter, Richard und Viola. Obwohl die Sonne inzwischen vom Himmel strahlte und es richtig warm war, waren die drei nicht
ins Wasser gegangen, sondern spielten Ball. Richard warf ihn manchmal mit Absicht ins Wasser, woraufhin Viola mit staksigen
Schritten in die Brandung watete, um den Ball zu holen und sich dann wie ein kleiner Hund zu schütteln, obwohl höchstens ihre
Füße nass geworden waren.
Lukas lachte. Manchmal ging sie ihm zwar auf die Nerven, aber es hätte ihn durchaus schlimmer treffen können. Wenn nur nicht
ihr ätzender Vater gewesen wäre! Typisch Lehrer – andauernd hielt er Vorträge, zu jedem Thema wusste er etwas zu sagen. Im
Gegensatz zu Richard war Lukas’ Vater Leon immer gut drauf und hatte meistens eine verrückte Idee im Kopf.
Lukas schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Musik. Er wollte jetzt nicht an Richard denken, denn sonst würde er
sich nur wieder vorstellen, wie er als Stiefvater sein würde. Schon drei Mal hatte er Papa angerufen, doch es hatte immer
nur die Mailbox geantwortet. Er hoffte immer noch, dass er nach Ibiza fliegen durfte, auch wenn Spiekeroog bei Sonnenschein
wesentlich freundlicher wirkte als beiRegen. Aber es war einfach nichts los auf dieser Insel.
Viola hatte offensichtlich genug vom Ballspielen und kam auf Lukas zugerannt. Sie stupste ihn so lange in die Seite, bis er
den MP 3-Player ausschaltete.
»Gehst du jetzt mit mir ins Wasser?«, fragte sie. Ihre Zahnspange blitzte in der Sonne.
»Na gut«, sagte Lukas und sprang auf. Hand in Hand liefen sie zum Wasser. Lukas war überrascht, wie kalt es war. Ganz anders
als im Mittelmeer!
Aber dafür gab es super Wellen, fand Lukas. Er stürzte sich sofort hinein und ließ sich treiben, während Viola versuchte,
vor den heranrollenden Wellen wegzulaufen, und dabei immer wieder im Wasser landete. Es waren auch noch ein paar andere Kinder
da, die sich nass spritzten oder gegenseitig untertauchten.
»Sammeln wir Muscheln für die Burg?«, fragte Viola, als sie genug hatte.
»Okay«, erwiderte Lukas.
Viola rannte zum Strandkorb und holte ihren Plastikeimer. Sie liefen am Wellensaum entlang und versuchten, so nah wie möglich
ans Wasser zu gehen, ohne nasse Füße zu bekommen.
Viola hatte bald viele Muscheln gesammelt.
»Guck mal«, sagte sie fasziniert. »Wenn das Wasser weg ist, sind auch unsere Fußspuren weg.«
»Klar«, erwiderte Lukas. »Das Wasser nimmt unsere Fußspuren mit. Die schwimmen jetzt da draußen.« Er zeigte aufs weite Meer
hinaus.
»Du spinnst«, rief Viola lachend.
Etwas weiter vom Wassersaum entfernt grub Lukas mit den Händen eine Kuhle und errichtete einen Damm davor. Es dauerte ein
paar Minuten, bis das Wasser den Damm erreichte, und für eine Weile hielt dieser dem Wasser auch stand. Doch dann kam eine
große Welle, die darüber hinwegschwappte und die Kuhle füllte.
»Das ist wie beim Deich«, sagte Viola, die zugeschaut hatte. »Du hättest ihn höher bauen müssen«, fügte sie hinzu.
»Das nächste Mal«, erwiderte Lukas und sah zu, wie sein Damm vom permanenten Druck der Wellen allmählich aufgelöst wurde,
bis weder von der Kuhle noch vom Damm etwas übrig blieb.
»Schau mal«, rief er, nachdem er aufgestanden und
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