Seekers 03: Auf dem Rauchberg
wie kleine schwarze Beeren.
Taqqiqs Ohren zuckten, doch er sagte nichts. Er senkte den Kopf, hielt sein Fleischstück mit beiden Vordertatzen fest und konzentrierte sich aufs Fressen.
Als Lusa fertig war, kletterte sie auf den Baum. Sie suchte sich eine bequeme Stelle und bettete den Kopf auf ihre wunden Tatzen. Unter ihr rollten sich Toklo und Ujurak zum Schlafen zusammen. Taqqiq scharrte auf dem Boden herum, drehte sich immer wieder grummelnd im Kreis, bevor er sich endlich mit einem mächtigen Seufzer niederließ.
Lusa fragte sich, ob Kallik wohl von ihrer Mutter träumte. Qopuks warmer Körper erinnerte sie wahrscheinlich an die Zeit, als sie noch neben ihr geschlafen hatte. Nach Nisas Tod musste sie sich schrecklich allein gefühlt haben. Lusa wusste wenigstens, wo ihre Mutter war – im Bärengehege, behütet, gut versorgt, von Freunden umgeben. Sicher, sie vermisste sie, manchmal so sehr, dass ihr der Kopf schwirrte, aber ihr war klar, dass das lange nicht so schlimm war wie die Einsamkeit, die sie empfinden würde, wenn Ashia tot wäre.
Lusa schlief ein und träumte von Bärenseelen, die mit dem Wind durch ihr Fell strichen und ihr zuflüsterten. Eine davon sprach mit der Stimme ihrer Mutter: Schlaf, meine Kleine, ich bin hier.
4. KAPITEL
Lusa
Stimmengemurmel weckte Lusa am nächsten Morgen. Sie spähte durch Äste und Zweige nach unten und sah, dass Qopuk wach war und sprach. Kallik und Ujurak kauerten neben ihm. Toklos Blätterhaufen war leer, vermutlich war er wieder auf die Jagd gegangen. Taqqiq schlief noch. Lusa blickte blinzelnd in den blassrosa Himmel. Es war wieder eine kurze Nacht gewesen. Sie hatte das Gefühl, es sei noch viel zu früh am Morgen. Wann würden die Nächte endlich wieder länger werden? Sie war inzwischen so weit, dass sie mit Freuden einen Teil der Tageswärme gegen etwas zusätzlichen Schlaf getauscht hätte.
Sie kletterte vom Baum herunter und schob sich vorsichtig an Taqqiq vorbei, der schnarchend am Boden lag.
»Lusa!«, rief Kallik, als sie herangetrottet kam. »Qopuk erzählt gerade, wie man zur Letzten Großen Wildnis kommt.«
Der alte Eisbär sah ein bisschen besser aus und saß jetzt aufrecht. Seine Augen besaßen mehr Glanz als am Tag zuvor. Die Überreste des Hasen lagen vor ihm auf dem Boden, offenbar hatte ihm die Beute neue Kräfte verliehen. Lusa schmiegte sich neben Kallik und blickte zu ihm auf. Qopuk nickte ihr zu und berührte das Moos, das sie ihm gebracht hatte.
»Du hattest gerade über den Großen Fluss gesprochen«, half Ujurak ihm, den Faden wieder aufzunehmen.
»Ja«, erklärte Qopuk, »das ist die erste der Gefahren, die ihr überwinden müsst, um zur Letzten Großen Wildnis zu gelangen. Ich habe ihn gesehen, jedoch nie selbst überquert. Er ist eine Himmelslänge breit und die Strömung ist sehr stark. Zu stark zum Schwimmen, selbst für dich«, sagte er zu Kallik.
»Wie kann man ihn dann überqueren?«, fragte Ujurak.
»Es gibt eine Stelle, wo es möglich ist«, antwortete Qopuk. »Der Fluss ist flacher und ruhiger, wenn man vom Höhlengebiet der Krallenlosen aus schwimmt. Aber seid vorsichtig, auch dort ist er noch sehr breit und die Strömung darf man nicht unterschätzen. Falls ihr glücklich hinübergelangt, müsst ihr anschließend dem Wegweiserstern über den Rauchberg hinweg folgen.«
»Den Rauchberg hast du gestern Abend schon erwähnt«, erinnerte sich Lusa. »Du sagtest, er sei gefährlich.«
»Oh ja.« Qopuks Augen schlossen sich und er holte rasselnd Luft. Schließlich öffnete er die Augen wieder und blickte sich überrascht um, als wisse er nicht mehr, wo er sich befand. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich, während er um Atem rang.
»Der Rauchberg«, rief Lusa ihm in Erinnerung. »Was gibt es dort? Warum ist er so gefährlich?«
»Ich kann nur das berichten, was man mir erzählt hat«, krächzte Qopuk. »Ich bin einmal einem Bären begegnet, der erzählte, er sei in der Wildnis gewesen. Keiner hat ihm geglaubt. Alle fragten ihn, warum er denn zurückgekehrt sei, wenn das so ein wunderbarer Ort ist.« Er blickte zu Boden. »Aber ich glaubte ihm. Seine Erzählung war so lebendig, so gespickt mit seltsamen Dingen, die er gar nicht erfunden haben konnte. Er hat mir alles über den Rauchberg erzählt – über die brennenden Felsen und über das Feuer unter dem Erdboden. Er sagte, der Himmel sei voller Asche und Rauch, die in den Augen brennen und schwarzen Staub auf deinem Fell und auf dem Boden hinterlassen, so
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