Seekers 03: Auf dem Rauchberg
schmierig und klebrig, dass er nicht vom Regen weggewaschen werden kann. Die schwarzen Felsen erstrecken sich über Himmelslängen weit, sie haben scharfe Kanten, und es ist schwer, darauf zu laufen. Die Luft ist so dick und stickig, dass viele Bären vom Weg abkommen. Und dann gibt es dort etwas, das auf der Lauer liegt … etwas Böses.«
Kallik, Lusa und Ujurak starrten ihn alle atemlos an. Die furchterregende Szenerie, die vor Lusas innerem Auge entstand, unterschied sich so sehr von der friedlichen Umgebung hier, dass sie kaum glauben konnte, dass es so etwas gab. Um sie herum glitzerte der Morgentau auf den Gräsern, und über Taqqiqs Schnarchen hinweg konnte sie das Plätschern eines Baches hören. Ein so schrecklicher Ort, wie es der Rauchberg zu sein schien, musste doch wohl Teil einer anderen Welt sein?
»Was ist das?«, fragte Kallik erschrocken. »Das Böse?«
»Es gibt eine Legende«, erwiderte Qopuk leise, »die von einem riesigen Krallenlosen erzählt, so groß wie sieben Bäume.«
Lusa und Kallik stockte der Atem.
»Vor vielen Monden lebte er auf dem Rauchberg«, fuhr Qopuk fort. »Jeder Schritt, den er machte, reichte über eine ganze Himmelslänge. Die Bäume selbst bebten vor Angst, wenn er vorbeigeschritten kam. Und er war hungrig, immerzu hungrig. Dann kam ein Schneehimmel, der länger dauerte als alle Schneehimmel zuvor und bitterkalt war. Der Krallenlose hatte viele Tage lang nichts zu fressen. Als der Schneehimmel endlich vorüber war, quälte ihn der Hunger so sehr, dass er in die Berge ging und alle Bären tötete, die er finden konnte.«
»Oh nein!«, rief Lusa erschrocken.
»Er tötete dreißig Bären«, erklärte Qopuk düster. Lusa betrachtete ihre Tatzen. Sie wusste, dass sie vier davon besaß. War dreißig sehr viel mehr als vier? »Und dann verbrannte er sie, so wie die Krallenlosen es mit ihrem Fressen machen. Er hängte sie über einem Feuer in der Nähe eines riesigen Felsblocks auf. Der Bär, der mir die Geschichte erzählt hat, sagte, er hätte genau diesen Felsen zu Gesicht bekommen. Er nannte ihn den Bärenfelsen. Und als die Bären von Feuer und Rauch mürbe waren, hat der Krallenlose alle dreißig Bären aufgefressen.«
»Ich dachte immer, Krallenlose würden keine Bären fressen«, sagte Kallik schockiert.
»Nun, dieser eine hat es jedenfalls getan«, erwiderte Qopuk. »Und der Legende nach sucht sein Geist noch immer den Berg heim. Man sagt, wenn der Rauch dichter wird, dann entfacht der Krallenlose wieder sein Feuer und sucht nach Bären, die er fressen kann.«
Lusa vergrub ihre Schnauze in Kalliks Fell und versuchte, die Schreie der Bären auszublenden, die ihr in den Ohren klangen.
»Das ist ja wirklich furchtbar.« Ujurak rümpfte die Nase. »Es muss einen anderen Weg zur Letzten Großen Wildnis geben.«
»Ich habe von einem anderen Weg gehört.« Qopuk senkte den Kopf. Alle drei Bärenjungen beugten sich weiter vor. »Er ist allerdings viel länger. Und auch er steckt voller Gefahren.«
»Erzähl uns davon.« Ujurak stupste den alten Bären in die Seite.
»Dazu müsstet ihr den Großen Fluss überqueren und ihm dann ganz bis zum Eismeer folgen«, krächzte Qopuk. »Wenn ihr glücklich den Treibsand überwindet und nicht ins Meer hinausgespült werdet … wenn ihr all das unbeschadet übersteht … dann ist es möglich, die Letzte Große Wildnis entlang der Küste zu erreichen.« Er holte tief Luft und streckte sich aus. Zweige und Blätter knirschten unter seinem Gewicht. Langsam schlossen sich seine Augen.
Lusa tappte näher und schmiegte sich an ihn. »Ich bin so froh, dass du uns auf unserer Reise begleitest«, flüsterte sie ihm zu. »Du kannst uns führen – und wir können dir helfen, ans Ende deines Weges zu gelangen.«
Qopuk antwortete nicht. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig.
»Wir sollten ihn so lange schlafen lassen, wie er möchte«, erklärte Lusa. »Dann hat er hoffentlich genug Kraft zum Weiterwandern, wenn er aufwacht.«
Kallik beugte sich vor, um den alten Bären zu beschnuppern. »Ich hoffe, er kennt noch ein paar hübsche Geschichten, die er uns unterwegs erzählen kann.«
Lusa hob das Moos auf und trottete zum See, um es wieder mit Wasser zu tränken. Nach einigen Schritten bemerkte sie, dass Ujurak ihr folgte. Sie stoppte, legte das Moos ab und sah ihn erwartungsvoll an.
»Lusa«, sagte er sanft. »Es tut mir leid, aber Qopuk wird nicht mit uns kommen.«
»Doch, natürlich!«, entgegnete Lusa. »Er kennt den Weg,
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