Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
packte sie die Robbe und schleuderte sie aufs Eis. Dort zuckte und zappelte sie noch für einen Moment, bevor Nisas riesige Klaue auf sie herabsauste und sie mit einem einzigen Schlag tötete.
Kallik konnte sich nicht vorstellen, dass sie je schnell genug sein würde, eine Robbe zu fangen, bevor sie wieder unter dem Eis verschwand.
Nisa schlitzte die Robbe auf und sprach die Dankesworte an die Eisgeister. Ihre Jungen kamen herbei, um sich satt zu fressen. Kallik atmete den Duft von frisch erlegtem Fleisch ein, von köstlichem Fett und zäher Haut. Sie schlug die Zähne in die Beute und riss sich einen Bissen heraus. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie hungrig sie war.
Plötzlich hob Nisa den Kopf, ihr Fell sträubte sich. Kallik spannte sich an und schnupperte. Ein großer männlicher Eisbär kam aus dem Nebel auf sie zu. Sein gelbliches Fell war vom Schnee verfilzt und seine Tatzen waren so groß wie Kalliks Kopf. Brummend und fauchend steuerte er geradewegs ihre Robbe an.
Taqqiq nahm eine drohende Haltung ein, doch Nisa schob ihn zurück. »Bleibt nahe bei mir«, sagte sie warnend. »Lasst uns von hier verschwinden.«
Sie wandte sich um und trieb ihre Jungen vor sich her. Kallik rannte, so schnell sie konnte, ihr Herz schlug heftig. Was, wenn die Robbe dem fremden Bären nicht genügte? Was, wenn er als Nächstes ihr nachjagte? Während sie einen kleinen Hang hinaufeilten, warf Kallik einen Blick zurück und sah, dass der Bär sie nicht verfolgte. Stattdessen war er vollauf damit beschäftigt, sich über die tote Robbe herzumachen.
»Das ist ungerecht!«, beschwerte sie sich. »Die Robbe gehörte uns!«
»Ich weiß«, sagte Nisa seufzend. Sie wirkte erschöpft, als sie in einen langsameren Schritt verfiel.
»Warum darf dieser faule Bär unsere Beute an sich reißen, obwohl du die ganze Arbeit geleistet hast?« Kallik ließ nicht locker.
»Dieser Bär ist genauso auf Beute angewiesen wie wir«, erklärte Nisa. »Wenn die Robben knapp sind, muss man sich darauf einrichten, um jede Mahlzeit zu kämpfen. Ihr dürft keinem anderen Bären trauen, meine Kleinen. Wir müssen zusammenhalten, denn es gibt sonst niemanden, auf den wir uns verlassen können.«
Kallik und Taqqiq sahen sich an. Kallik wusste, dass sie für ihre Mutter und ihren Bruder alles tun würde. Sie war noch nicht vielen anderen Bären begegnet, doch alle, die sie gesehen hatte, waren groß, wild und furchterregend gewesen, genau wie der, der soeben ihre Robbe gestohlen hatte. Vielleicht waren Eisbären nicht dafür bestimmt, Freunde zu haben. Vielleicht ließ das Eis es nicht zu.
»Solange wir zusammenbleiben, werden wir zurechtkommen«, versprach Nisa. »Es findet sich immer etwas zu fressen, wenn man weiß, wo man suchen muss, und wenn man die Geduld hat, es zu fangen. Lasst euch also deshalb nicht den Kopf vollschneien. Ich bin bei euch, um für euch zu sorgen, bis ihr stark genug seid, auf eigene Faust zu jagen.«
Sie wandte sich nach links. »Riecht ihr das?«
Kallik schnupperte. Tatsächlich roch sie etwas. Aber das war keine Robbe … es war irgendetwas anderes. Etwas eher Fischartiges, aber auch kein richtiger Fisch. Sie konnte es nicht identifizieren. »Was glaubst du, was es ist?«, fragte sie Taqqiq. Er stand geduckt, wie auf der Jagd, und noch während sie zu ihm sprach, machte er plötzlich einen Satz nach vorn, um eine Schneeflocke zu erlegen, die zu Boden geschwebt war. Kallik blickte auf und sah, dass es wieder zu schneien begonnen hatte. Ihr Bruder kämpfte fröhlich mit den Schneeflocken, und es sah nicht so aus, als würde er auch nur versuchen, nach dem zu schnuppern, was ihre Mutter gewittert hatte.
»Taqqiq, pass auf«, sagte Kallik. »Auch du musst eines Tages alleine jagen.«
»Ist ja gut, großer Bär«, meinte Taqqiq und schnüffelte theatralisch in alle Richtungen.
»Kommt mit, schnell«, drängte Nisa. »Und versucht, nicht allzu viel Lärm zu machen.« Sie folgten ihrer Mutter übers Eis, wobei sie so leise wie möglich auftraten. Der Geruch schien sich nicht von der Stelle zu bewegen.
»Bleibt es, wo es ist?«, fragte Kallik. »Heißt das, es weiß nicht, dass wir kommen?«
»Eine Möglichkeit, seine Beute zu überlisten, besteht darin, den eigenen Geruch zu verbergen«, sagte Nisa. »Zum Beispiel so – folgt mir.« Sie führte sie zu einer Rinne im Eis, die mit geschmolzenem Wasser gefüllt war. Einer nach dem anderen schwammen sie hindurch.
»Igitt, jetzt ist mein Fell total nass«, beschwerte sich
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