Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
sieht Lusa aus, als würde sie gleich im Stehen einschlafen«, spottete Toklo.
»Ich … ich bin n…« Lusas Widerspruch ging in ein gewaltiges Gähnen über. »Na gut, vielleicht doch«, murmelte sie, als die anderen vergnügt schnaubten. Wären sie so müde gewesen wie sie, hätten sie das bestimmt nicht komisch gefunden. Lusa war erleichtert, dass sich das gesträubte Fell auf Toklos Rücken wieder legte. Sie hatte immer ein bisschen Angst, wenn Kallik und Toklo miteinander stritten. Sie fürchtete die Kraft ihrer Freunde und die Schärfe ihrer Krallen. Hoffentlich gerieten die beiden auf dem Eis nicht wieder aneinander. Aber wenn Toklo erst merkte, dass Kallik wusste, was sie tat, würde bestimmt alles gut werden.
Sie erklommen die nächste Anhöhe und suchten nach trockenem Gras und einer windgeschützten Schlafstelle. Auf der anderen Seite des Flusses sah Lusa einen Bergrücken, der mit Bäumen bewachsen war. Fast konnte sie das Rascheln der Blätter hören. Sie wünschte, sie könnte sich in den sicheren, starken Ästen eines Baums zusammenrollen oder es sich zwischen dicken Wurzeln bequem machen. Beim Einschlafen hätte sie dann das Flüstern der Bärenseelen um sich, die hinter der Rinde über sie wachten.
Eines war sicher: Auf dem Eis gab es keine Bäume und daher auch keine freundlichen Schwarzbärengeister. Was war, wenn sie in der kalten weißen Einöde starb? Würde ihre Seele den Weg zurückfinden in den Wald, wo sie hingehörte?
»Kann ich schon verstehen«, erklang eine barsche Stimme neben ihr. Es war Toklo, der zu Lusa aufgeschlossen hatte. Kallik und Ujurak gingen ein paar Schritte vor ihnen. Toklo deutete mit dem Kopf zu dem bewaldeten Bergrücken hin. »Du wärst am liebsten da oben, stimmt’s?«
Lusa nickte. »Das heißt wohl, dass ich nicht besonders tapfer bin«, gab sie kleinlaut zu. »Toklo, ich habe schreckliche Angst.«
»Tja, das geht uns allen so«, grummelte Toklo. Lusa blickte ihn überrascht an. »Ich meine, sehr viel Angst habe ich natürlich nicht«, verbesserte er sich. »Nur ein bisschen. Weil es hummeldämlich ist, das Festland zu verlassen, wo es Beute und Unterschlupf gibt. Braunbären und Schwarzbären gehören nicht aufs Eis. Aber ich schätze, wir müssen Ujurak vertrauen. Er hat uns den weiten Weg hierher gebracht und wir sind noch am Leben.«
»Ja«, murmelte Lusa. »Bisher hat er uns gut geführt.«
»An Land hat man als Bär einfach nicht mehr genug Platz.« In Toklos Stimme schwang ein Knurren mit. Sein Blick war auf die dunklen, verschwommenen Bergspitzen am Horizont gerichtet. »Vielleicht ist auf dem Eis mehr Platz für uns.« Er schnaubte. »Da müsste es doch jede Menge davon geben. Da ist doch überhaupt nichts anderes.«
Lusa wollte gerade erwidern, dass sie denselben Gedanken auch schon gehabt hatte, als vor ihr plötzlich ein heller, warmer Fellberg aufragte. Rumms! Sie war direkt gegen Kallik geprallt. Die Eisbärin hatte mit Ujurak neben einem Gebüsch haltgemacht. Ujurak schnüffelte im Gras nach Dornen und spitzen Steinen, die das Plätzchen als Nachtlager ungeeignet gemacht hätten. Lusa war das mittlerweile egal. Sie war so müde, dass sie wahrscheinlich sogar auf einem Schwarzpfad behaglich geschlafen hätte.
Hoffentlich hatte Kallik nicht gehört, was sie und Toklo über das Eis gesagt hatten.
»Ich kann es gar nicht erwarten, deine Heimat zu sehen«, brummte sie leise und drückte der Eisbärin die Nase in den Pelz. Das stimmte sogar: Auch wenn sie Angst davor hatte, wollte sie doch wissen, wo ihre Freundin herkam.
Kallik stupste sie sanft zurück. »Es wird dir bestimmt gefallen, Lusa«, versprach sie. »Du wirst schon sehen: keine Feuerbiester, kein Rauch, kein Öl. Da draußen gibt es nichts, was für die Flachgesichter interessant wäre. Nur du und der Wind und das kühle Eis unter deinen Tatzen. Einen schöneren Ort gibt es nicht.«
Lusa war das in diesem Moment egal. Sie wollte einfach die Augen schließen, egal wo. Das Gras war an dieser Stelle hoch und weich, und die Sträucher schützten sie vor dem starken Wind, der vom Meer her wehte. Kleine weiße Flocken tanzten durch die Luft und glitzerten im Mondlicht: Es hatte zu schneien begonnen. Benommen, wie sie war, sah Lusa in dem weißen Flaum eine weiche Decke, die sich auf ihren Pelz legte.
Mit einem Plumps ließ sie sich nieder, und bis die anderen es sich gemütlich gemacht hatten, schlief sie schon.
Ein hohes Geschnatter umgab sie, doch Lusa verstand kein Wort. Als sie
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