Seelen
als Kyle …« Ich brach abrupt ab und biss die Zähne zusammen.
»Als Kyle versucht hat dich umzubringen«, beendete er nüchtern den Satz. »Da wolltest du sie rauslassen? Warum?«
Ich sah ihn nur an.
»Um gegen ihn zu kämpfen?«
Ich antwortete nicht.
Er seufzte. »Okay. Dann eben nicht. Was glaubst du, warum die … Tür verschlossen ist?«
Ich runzelte die Stirn. »Ich weiß es nicht. Vielleicht einfach, weil die Zeit fortschreitet… Es beunruhigt uns beide auch.«
»Aber sie ist schon mal ausgebrochen, um Jared zu schlagen.«
»Ja.« Ich schauderte bei der Erinnerung an meine Faust, die gegen seinen Kiefer gedonnert war.
»Weil du außer dir warst und von deinen Gefühlen überwältigt?«
»Ja.«
»Was hat er gemacht? Dich einfach nur geküsst?«
Ich nickte.
Ians Augen wurden schmal.
»Was?«, fragte ich. »Was ist los?«
»Wenn Jared dich küsst, bist du … von deinen Gefühlen überwältigt.«
Ich sah ihn an und sein Gesichtsausdruck beunruhigte mich. Melanie genoss ihn. Ganz genau!
Er seufzte. »Und wenn ich dich küsse … bist du nicht sicher, ob du das magst. Du bist nicht … überwältigt.«
»Oh.« Ian war eifersüchtig. Was für eine seltsame Welt dies doch war. »Tut mir leid.«
»Das muss dir nicht leidtun. Ich habe dir ja gesagt, ich würde dir Zeit lassen, und es macht mir nichts aus, abzuwarten, bis du darüber nachgedacht hast. Es macht mir überhaupt nichts aus.«
»Was macht dir dann was aus?« Denn irgendetwas gab es da offenbar.
Er holte tief Luft und ließ sie langsam wieder herausströmen. »Ich habe gemerkt, wie sehr du Jamie liebst. Das war immer ganz offensichtlich. Wahrscheinlich hätte ich merken müssen, dass du Jared auch liebst. Vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben. Aber es ist natürlich logisch. Du bist wegen den beiden hergekommen. Du liebst sie beide, genau wie Melanie. Jamie wie einen Bruder. Und Jared …«
Er wandte den Blick ab und starrte die Wand über mir an. Ich musste auch wegschauen und sah auf einen Sonnenstrahl auf der roten Tür.
»Wie viel davon ist Melanie?«, wollte er wissen.
»Ich weiß es nicht. Spielt das eine Rolle?«
Ich konnte seine Antwort kaum hören. »Ja. Für mich schon.« Ohne mich anzusehen oder überhaupt zu bemerken, was er da tat, nahm Ian wieder meine Hand.
Eine ganze Weile war es sehr still. Sogar Melanie war still. Das war schön.
Dann, als wäre ein Schalter umgelegt worden, war Ian wieder ganz er selbst. Er lachte.
»Die Zeit ist auf meiner Seite«, sagte er grinsend. »Wir haben hier drin noch den Rest unseres Lebens vor uns. Eines Tages wirst du dich fragen, was du je in Jared gesehen hast.«
Träum weiter.
Ich lachte mit ihm, glücklich, dass er wieder Witze machte.
»Wanda? Wanda, kann ich reinkommen?«
Jamies Stimme war schon vom Anfang des Gangs her zu hören und dann, begleitet vom Geräusch seiner laufenden Schritte, direkt vor der Tür.
»Natürlich, Jamie.«
Ich streckte ihm bereits die Hand entgegen, bevor er die Tür zur Seite geschoben hatte. Ich hatte ihn in letzter Zeit längst nicht oft genug gesehen. Bewusstlos oder gehbehindert, war ich nicht in der Lage gewesen, nach ihm zu suchen.
»Hey, Wanda! Hey, Ian!« Jamie strahlte über das ganze Gesicht und sein strubbeliges Haar wippte auf und ab, wenn er sich bewegte. Er steuerte auf meine ausgestreckte Hand zu, aber Ian war ihm im Weg. Daher ließ er sich auf der Kante meiner Matratze nieder und legte seine Hand auf meinen Fuß. »Wie fühlst du dich?«
»Besser.«
»Hast du schon Hunger? Es gibt luftgetrocknetes Rindfleisch und Maiskolben! Ich könnte dir was holen.«
»Im Moment nicht. Wie geht es dir? Ich habe dich in letzter Zeit so wenig gesehen.«
Jamie verzog das Gesicht. »Sharon hat mich nachsitzen lassen.«
Ich lächelte. »Was hast du denn angestellt?«
»Nichts. Ganz ohne Grund.« Seine unschuldige Miene war ein bisschen übertrieben und er wechselte schnell das Thema. »Weißt du was? Jared hat beim Mittagessen gesagt, es war nicht nett, dass du aus dem Zimmer, an das du dich gewöhnt hattest, wieder ausziehen musstest. Er hat gesagt, wir seien keine guten Gastgeber gewesen und du solltest wieder bei mir einziehen! Ist das nicht genial? Ich hab ihn gefragt, ob ich dir das gleich sagen könnte, und er meinte, das wäre eine gute Idee. Er hat gesagt, du wärst hier.«
»Das kann ich mir vorstellen«, murmelte Ian.
»Also, wie findest du das, Wanda? Wir werden wieder zusammenwohnen!«
»Aber Jamie, wo wird denn Jared
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