Seelen
brauchten - Mel und ich mussten ihn einfach lebendig und gesund in unseren Armen halten.
Mein schimmernder Kreis schien sich zu erweitern, umfasste die gesamte nächtliche Essensgesellschaft und machte sie ebenfalls zum Teil meiner Familie. Alle warteten zufrieden und geduldig darauf, dass Jeb das unerwartete Festmahl zubereitete. Angst war durch Erleichterung und gute Neuigkeiten ersetzt worden. Sogar Kyle, der sich auf der anderen Seite neben seinen Bruder gezwängt hatte, war in diesem Kreis willkommen.
Melanie seufzte zufrieden. Sie war sich der Wärme des Jungen in unserem Schoß und der Berührung des Mannes, der immer noch meinen Arm streichelte, lebhaft bewusst. Sie regte sich nicht einmal darüber auf, dass Ian mir den Arm um die Schulter gelegt hatte.
Du stehst auch unter dem Einfluss des Schmerzlos, zog ich sie auf.
Ich glaube nicht, dass es das Schmerzlos ist. Bei keiner von uns.
Nein, du hast Recht. Das hier ist mehr, als ich je hatte.
Das hier ist so viel von dem, was ich verloren habe.
Woran lag es, dass ich mir diese menschliche Liebe so viel heißer ersehnte als die Liebe meiner eigenen Spezies? Weil sie so ausschließlich und unberechenbar war? Die Seelen boten jedem Liebe und Akzeptanz an. Sehnte ich mich nach einer größeren Herausforderung? Diese Liebe hier war kompliziert, sie hatte keine starren Regeln - sie konnte einem geschenkt werden wie bei Jamie, oder man konnte sie sich mit viel Zeit und harter Arbeit verdienen wie bei Ian, oder sie konnte absolut und herzzerreißend unerwidert sein wie bei Jared.
Oder war sie einfach irgendwie stärker? Diese Menschen konnten so inbrünstig hassen - war es da einfach das andere Ende des Spektrums, dass sie auch umso inniger, heftiger und leidenschaftlicher lieben konnten?
Ich wusste nicht, warum ich mich so verzweifelt danach gesehnt hatte. Ich wusste nur, dass es jedes Jota an Risiko und Todesangst, das ich dafür bezahlt hatte, wert gewesen war. Es war besser, als ich mir je hatte träumen lassen.
Es bedeutete mir alles.
Als das Essen zubereitet und verzehrt war, machte sich bei allen die späte - oder eher frühe - Stunde bemerkbar. Die meistenschwankten aus dem überfüllten Zimmer, um in ihr Bett zu kommen. Nachdem sie den Raum verlassen hatten, war mehr Platz.
Wir Übrigen sackten dort, wo wir saßen, zusammen. Nach und nach rutschten wir immer tiefer, bis wir irgendwann in der Horizontalen lagen. Mein Kopf kam auf Jareds Bauch zu liegen; seine Hand streichelte mir gelegentlich übers Haar. Jamies Gesicht lag an meiner Brust und er hatte die Arme um meinen Hals geschlungen; mit einem meiner Arme umfasste ich seine Schulter. Ians Kopf lag auf meinem Bauch und er hielt meine andere Hand an sein Gesicht gedrückt. Ich konnte Docs langes Bein ausgestreckt neben meinem spühren, seinen Schuh neben meiner Hüfte. Doc schlief - ich hörte ihn schnarchen. Vielleicht berührte ich sogar irgendwo Kyle.
Jeb lag ausgestreckt auf dem Bett. Er rülpste und Kyle lachte.
»Die Nacht ist netter geworden, als ich erwartet hatte. Es gefällt mir, wenn ich mit einer pessimistischen Erwartung falschliege«, murmelte Jeb. »Danke, Wanda.«
»Mhm«, seufzte ich im Halbschlaf.
»Wenn sie das nächste Mal auf Tour geht …«, sagte Kyle, der irgendwo auf Jareds anderer Seite lag. Ein ausgedehntes Gähnen unterbrach seinen Satz. »Wenn sie das nächste Mal auf Tour geht, komme ich mit.«
»Sie geht nicht noch mal hinaus«, antwortete Ian und sein Körper versteifte sich. Ich strich mit der Hand über sein Gesicht, um ihn zu besänftigen.
»Natürlich nicht«, raunte ich ihm zu. »Ich gehe nirgendwohin, solange mich niemand braucht. Es macht mir nichts aus, hier drin zu bleiben …«
»Ich rede nicht davon, dich weiterhin als Gefangene zu halten, Wanda«, erklärte Ian gereizt. »Meinetwegen kannst du hingehen, wo du willst. Auf dem Highway joggen, wenn du dazu Lust hast. Aber nicht auf einen Beutezug. Ich will dich nicht in Gefahr bringen.«
»Wir brauchen sie«, sagte Jared mit festerer Stimme, als mir lieb war.
»Wie sind bisher auch gut ohne sie ausgekommen.«
»Gut? Jamie wäre ohne sie gestorben. Sie kann Sachen für uns besorgen, die sonst keiner bekommt.«
»Sie ist eine Person, Jared, kein Werkzeug.«
»Das weiß ich. Ich habe nicht gesagt, dass …«
»Das ist Wandas Entscheidung, würde ich sagen.« Jeb unterbrach die Diskussion in dem Moment, als ich dasselbe vorhatte. Meine Hand hielt Ian jetzt unten und ich spürte, wie sich Jareds
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