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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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hätte.
    Sie betet mich so an, dachte Louise. Eine Schande, daß sie ihrer kleinen Schwester kein besseres Vorbild abzugeben imstande war.
    »Es ist nicht nur Daddy, nicht einmal die Familie der Kavanaghs«, erklärte Louise. »Sie hassen grundsätzlich die Art und Weise, wie Norfolk funktioniert.«
    »Aber warum denn? Hier in Stoke County ist doch jeder glücklich!«
    »Weil hier im County für jeden gesorgt wird. Das ist ein Unterschied. Wie würdest du dich fühlen, wenn du dein ganzes Leben lang Tag für Tag auf den Feldern arbeiten müßtest und dann uns beide vorbeireiten sehen würdest, als gäbe es keine Sorgen auf der Welt?«
    Genevieve blickte ihre Schwester verwirrt an. »Ich weiß es nicht.«
    »Du würdest neidisch werden, und du würdest am liebsten die Plätze tauschen.«
    »Vermutlich hast du recht, ja.« Sie grinste durchtrieben. »Dann wäre ich diejenige, die neidisch auf uns wäre.«
    »Siehst du? Genau darin liegt das Problem.«
    »Aber was die Leute erzählen, die gräßlichen Dinge, die diese Gewerkschaftler tun …«, sagte Genevieve unsicher. »Ich habe gehört, wie sich zwei Mägde heute morgen darüber unterhalten haben. Sie haben sich schreckliche Sachen erzählt. Ich bin nach einer Minute davongelaufen.«
    »Sie lügen, Genevieve. Wenn irgend jemand in Stoke County wüßte, was in Boston geschieht, dann wären das wir, die Kavanaghs. Die Mägde erfahren solche Dinge immer als allerletzte.«
    Genevieve strahlte ihre ältere Schwester bewundernd an. »Du bist so schlau, Louise!«
    »Du auch, Gen. Vergiß nicht, wir haben die gleichen Gene.«
    Genevieve lächelte erneut, dann gab sie ihrem Pferd fröhlich die Sporen und galoppierte glücklich vor. Merlin, ihr alter Schäferhund, jagte bellend hinter ihr her und wirbelte ganze Wolken von vertrockneten Blütenblättern auf.
    Instinktiv drängte Louise ihr Pferd zu einem Handgalopp, als sie es in Richtung von Wardley Wood lenkte, das eine Meile entfernt lag. In früheren Sommern hatten die beiden Schwestern den kleinen Wald immer als ihren ganz privaten Abenteuerspielplatz in Beschlag genommen. Diesen Sommer jedoch war noch etwas anderes hinzugekommen, etwas Bittersüßes. Wardley Wood enthielt Erinnerungen an Joshua Calvert und die Dinge, die Louise und Joshua getan hatten, als sie neben dem kleinen Felsentümpel in der Sonne lagen. Sexuelle Dinge von einer Ungeheuerlichkeit, die keine der hochwohlgeborenen Damen Norfolks jemals zugegeben hätte – und Dinge, die wieder zu begehen Louise kaum noch erwarten konnte. Und die Erinnerung an das, was sie an den letzten drei Morgen hintereinander hatte erbrechen lassen. Nanny hatte sich wie stets rührend um Louise gesorgt – die beiden ersten Male. Glücklicherweise hatte Louise es geschafft, ihre Übelkeit an diesem Morgen zu verbergen, sonst hätte Nanny mit Mutter gesprochen. Und Mutter machte man so leicht nichts vor.
    Louise schnitt eine unglückliche Grimasse. Alles wird wieder gut, wenn Joshua erst zurück ist. Der Gedanke hatte sich in letzter Zeit zu so etwas wie einem Mantra entwickelt.
    Lieber Gott, wie ich dieses Warten hasse!
    Genevieve war noch eine Viertelmeile vom Waldrand entfernt und Louise knapp hundert Yards hinter ihr, als die beiden Schwestern den Zug hörten. Das durchdringende Pfeifen trug sehr weit in der stehenden Luft. Drei kurze Pfiffe, gefolgt von einem langen. Das Warnsignal, daß sich der Zug dem Bahnübergang von Collyweston näherte, der nicht durch eine Schranke gesichert war.
    Genevieve zügelte ihr Pferd und wartete, bis Louise heran war. »Er kommt in die Stadt!« rief das jüngere Mädchen aufgeregt.
    Beide kannten die Abfahrts- und Ankunftszeiten der lokalen Züge auswendig. Colsterworth hatte zwölf Anschlüsse pro Tag. Das hier war kein planmäßiger Zug.
    »Sie kommen zurück!« kreischte Genevieve. »Daddy kommt nach Hause!«
    Merlin bemerkte ihre Aufregung und sprang begeistert bellend um das Pferd.
    Louise biß sich auf die Lippe. Ihr fiel keine andere Möglichkeit ein. »Vermutlich hast du recht.«
    »Daddy kommt! Daddy kommt!«
    »Also schön, dann komm. Reiten wir zurück.«
     
    Cricklade Manor war umgeben von einer dichten Reihe genetisch angepaßter Zedern, ein imposantes steinernes Herrenhaus, errichtet im Stil der stattlichen Güter eines England, das räumlich genauso weit entfernt lag wie zeitlich in der Vergangenheit. Die gläsernen Wände der reich verzierten Orangerie, die an den Ostflügel des Hauses stieß, reflektierten Dukes strahlend

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