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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Pferde striegeln, ihnen Wasser geben.
    Zwanzig Minuten später, während sie die Sättel in die Sattelkammer schleppten, hörten sie den ersten Schrei. Der Schock war doppelt schlimm, weil es eine männliche Stimme war, die geschrien hatte. Ein lauter, heiserer Schrei wie von unerträglichem Schmerz, der zu einem anhaltenden Schluchzen verebbte.
    Genevieve drückte sich schweigend an ihre Schwester und schlang die Arme um Louises Leib. Louise spürte ihr Zittern und tätschelte ihr sanft den Kopf. »Schon gut«, sagte sie leise. »Du mußt keine Angst haben.«
    Vorsichtig schoben sich die beiden Schwestern zum Fenster und spähten hinaus. Im Hof war nichts zu sehen. Die Fenster des Haupthauses waren schwarz und leer im Licht von Dukes gelbem Schein.
    »Ich gehe und sehe nach, was passiert ist«, sagte Louise.
    »Nein!« Genevieve zerrte drängend an ihrem Arm. »Laß mich nicht allein! Bitte, Louise!« Sie stand kurz davor zu weinen.
    Louises Griff verstärkte sich instinktiv. »In Ordnung, Gen. Ich laß’ dich nicht allein.«
    »Versprichst du es? Hoch und heilig?«
    »Versprochen.« Ihr wurde bewußt, daß sie genauso verängstigt war wie ihre jüngere Schwester. »Aber wir müssen herausfinden, was Mutter von uns will.«
    Genevieve nickte niedergeschlagen. »Wenn du es sagst.«
    Louise blickte auf die hohe Steinmauer des Westflügels und dachte nach. Was würde Joshua in einer Situation wie dieser tun? Sie rief sich die Lage der Zimmer ins Gedächtnis, die Gemächer der Familie, die schmalen Korridore für die Dienstboten. Räume und Gänge, die Louise besser kannte als jeder andere außer dem Majordomus und vielleicht noch Daddy.
    Sie nahm Genevieve bei der Hand. »Komm mit. Wir versuchen, nach oben in Mutters Boudoir zu schleichen, ohne daß uns jemand sieht. Irgendwann muß sie schließlich dorthin kommen.«
    Sie schlichen in den Hof hinaus und huschten am Fuß der Wand entlang zu einer kleinen grünen Tür, die in einen Vorratsraum auf der Rückseite der Küche führte.
    Louise rechnete jeden Augenblick damit, entdeckt zu werden. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie schließlich den schweren schmiedeeisernen Griff niederdrückte und nach drinnen schlüpfte.
    Der Lagerraum war gefüllt mit Mehlsäcken und Gemüse, das in Kisten auf verschiedenen Regalen gestapelt lag. Zwei schmale Fensterschlitze hoch in der Wand ließen nur ein dürftiges graues Licht durch die spinnwebverhangenen Scheiben ins Innere.
    Louise schaltete das Licht ein, nachdem Genevieve die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Zwei nackte Glühbirnen an der Decke flackerten schwach, bevor sie ganz erloschen.
    »Zur Hölle!« Louise nahm Genevieves Hand und führte ihre Schwester vorsichtig an den Kisten und Säcken vorbei.
    Der Wirtschaftskorridor hinter dem Lagerraum besaß weiß getünchte Steinwände und gelbe Bodenfliesen. Die Glühbirnen, die alle zwanzig Fuß an der Decke angebracht waren, flackerten und erloschen in einem willkürlichen Rhythmus. Louise wurde leicht schwindlig davon, als schwankte der gesamte Korridor.
    »Was ist das?« flüsterte Genevieve verängstigt.
    »Ich hab’ nicht die geringste Ahnung«, antwortete Louise vorsichtig. Ohne jede Vorwarnung hatte sie ein schlimmes Gefühl von Einsamkeit beschlichen. Cricklade gehörte ihnen nicht mehr, das wurde ihr mit schrecklicher Sicherheit bewußt.
    Sie schlichen durch den beunruhigenden Korridor zu dem Vorraum am Ende, wo sich eine schmiedeeiserne Wendeltreppe durch die Decke wand.
    Louise hielt inne, um zu lauschen, ob irgend jemand herunterkam. Dann, als sie sich überzeugt hatte, daß sie und Genevieve alleine waren, schlich sie nach oben.
    Die Flure des Herrenhauses bildeten einen krassen Kontrast zu den einfachen Wirtschaftskorridoren für das Personal. Breite, dicke Teppiche in Grün und Gold lagen auf dem polierten goldgelben Holzparkett, an den Wänden hingen große alte Ölgemälde in prunkvollen goldenen Rahmen, und in regelmäßigen Abständen standen kleine antike Truhen und Tische mit wertvollen Kunstgegenständen oder Kristallvasen voller duftender einheimischer und genetisch angepaßter irdischer Blumen, die im eigenen Treibhaus des Landgutes gezüchtet wurden.
    Die Außenseite der Tür am oberen Absatz der Wendeltreppe war als Wandpaneel verkleidet. Louise öffnete sie vorsichtig und spähte auf den Flur hinaus. Durch ein großes Bleiglasfenster am anderen Ende des langen Gangs fielen breite Streifen bunten Lichts herein und überzogen Wände und Decke

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