Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
mir und brummelten irgendwelchen Blödsinn:
»Das war eine aggressive Promotion-Attacke der Konkurrenz, die offenbar keinen Erfolg hatte. Jedenfalls ist ein Produkt dieser Art nirgends mehr zu finden.«
Noch Monate danach tauschte ich belustigte Blicke mit jenem Verkäufer aus, der den Bericht geschrieben hatte, und wir lachten uns beide über unseren Streich ins Fäustchen.
Als der Abteilungsleiter sieht, dass ich den Raum betreten habe, wird sein Gesichtsausdruck noch ernster, und dann lässt er folgende Tirade ab:
»Also schön, Alexander. Ich habe deinen Bericht bekommen, deine Zahlen für diesen Monat sind gut, nur, was du
über deine Kundenbesuche schreibst, ist ein wenig undeutlich. Der Gesamteindruck von deiner Arbeit kommt bei mir nicht klar an, verstehst du? So, du kannst jetzt gehen.«
Als der Verkäufer draußen ist, setze ich mich auf seinen Platz und sage: »Hör mal, Pascha, wozu gehst du diesem armen Menschen eigentlich ständig mit immer demselben Schwachsinn auf die Eier? Hat er seine Quote gebracht oder nicht?«
»Doch, die Quote ist in Ordnung.«
»Und die Zahlen fürs Quartal, stimmen die auch? Gibt es eine Steigerung?«
»Klar, gibt es. Aber ohne Berichte geht es nun mal nicht. Es geht schließlich auch um Betriebsdisziplin.«
»Und du meinst, er wird mehr verkaufen, wenn du ihm das Hirn damit zukleisterst? Wenn dich wirklich interessiert, was er mit seinen Kunden plaudert, kannst du ihn ja mal zu seinen Terminen begleiten. Sag mir doch mal, wie oft warst du in dieser Woche auf Tour?«
»Ich, äh …« Auf Paschas Stirn bilden sich tiefe Falten. »Ich hatte hier im Büro zu tun. Außerdem erforderte die Situation kein Outsorcing von meiner Seite.«
»Was bitte hat die Situation nicht erfordert?«, frage ich mit einer Grimasse, als hätte ich einen Frosch verschluckt.
»Outsourcing.«
»Kannst du das auch auf Russisch sagen?«
»Es gibt nun mal eine Reihe allgemein gebräuchlicher Ausdrücke im Business, und ich bin der Auffassung, dass …«
»Du solltest dich glücklich schätzen, dass er dich nicht outsourct , wie du dich ausdrückst. Du hast doch bestimmt längst vergessen, wie man mit Kunden verhandelt, oder?«
»Absolut nicht! Aber die Berichte müssen analysiert werden, und auf der Basis dieser Analysen müssen dann die erforderlichen Pläne erstellt werden, und deshalb verlange ich von meinen Leuten …«
»Und wer soll die Berichte deiner Meinung nach analysieren? Wer soll auf der Basis dieser Berichte Pläne erstellen?«
»Na ja, die Unternehmensleitung eben.« Er hebt die Hand und deutet nach oben, dorthin, wo seiner Meinung nach der Olymp des Topmanagments liegt.
»Pascha, jetzt merk dir doch mal, dass kein Mensch diese Berichte braucht, weder du noch ich. Du solltest deinem Team lieber vernünftige Aufgaben geben statt ihnen die Hirne zu ficken. Ich mache meine Verkaufspläne doch nicht in Abhängigkeit davon, wie viele Gespräche ein Verkäufer mit Tante Klara aus dem Supermarkt geführt hat. Hast du das verstanden?«
»Mhmm.«
»Na also, wunderbar.« Ich bin inzwischen ziemlich erschöpft von diesem sinnlosen Blabla und stehe auf, um zu gehen. »Ach, übrigens, fast hätte ich’s vergessen. Ich erwarte dich Freitag bei mir zum Meeting, sagen wir, so gegen elf. Und bring mir den Bericht über deine eigenen Kundenbesuche mit, und deinen Terminplan für die kommende Woche auch, okay, Pascha? Dann werden wir beide ein bisschen zusammen analysieren. Du kannst auch meine Sekretärin outsourcen, wenn du willst. Sie ist ziemlich fix an der Computertastatur.«
Zurück in meinem Büro öffne ich die Datei mit den Zahlen über die täglichen Auslieferungen, um mir ein Bild von der Abteilung dieses Outsourcers Mischa zu machen.
Wir reden alle über Globalisierung, über transnationale Unternehmen, die den Planeten verschlingen und ihn in eine gigantische Fabrik mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Hungerlöhnen verwandeln. Vollen Ernstes erklären wir, dass all die McDonald’s, Coca-Colas und Microsofts uns zwingen, dies und jenes zu tun.
Stuss! Kapieren Sie nicht, dass das alles Stuss ist, nichts als Blödsinn? Hier muss schon lange niemand mehr gezwungen werden. Alle bewegen sich mit Siebenmeilenstiefeln auf die sogenannte Gesellschaft ohne Grenzen zu. Überlegen Sie doch mal, warum die im Grunde ziemlich intelligenten jungen Menschen unter meiner Fuchtel, die eine gute russische Bildung genossen haben, danach streben, dümmer auszusehen, als sie
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