Seelennacht
schützen.«
Liz nickte. »Okay, das langt jetzt. Du musst dich ausruhen, damit du Derek und Simon findest. Meine Oma hat immer gesagt, ich bin gut dabei, Leuten beim Einschlafen zu helfen. Besser als Pillen. Weißt du warum?«
»Warum?«
Sie grinste. »Weil ich den Leuten das Ohr abkaue. Moment, lass mich überlegen, worüber kann ich reden, damit du vor lauter Langeweile einschläfst? Oh, ich weiß. Typen. Heiße Typen. Ich hab eine Liste, weißt du? Die zehn heißesten Typen der Welt. Na ja, es sind sogar zwei Listen, jede mit zehn Typen, weil ich eine für echte Typen gebraucht habe – solche, die ich wirklich kenne, und eine für Typen aus Filmen und Bands. Nicht, dass das keine
echten
Typen wären, natürlich sind sie echt, aber …«
Ich schlief irgendwann wirklich ein und wachte erst auf, als mich das Donnern eines Lastwagens hochfahren ließ. Licht strömte durch die Fenster herein. Ich sah auf die Uhr. Halb neun. Keine Spur von Liz. Machte sie einen Rundgang, oder war sie schon fort?
Tori schlief immer noch fest und schnarchte leise vor sich hin.
Ich schüttelte sie an der Schulter. »Es ist Morgen. Wir müssen nach der Nachricht suchen.«
Tori öffnete die Augen und murmelte etwas davon, dass wahrscheinlich keine da war, dass Derek und Simon längst weg und wir selbst angeschmiert waren. Ein richtiger kleiner Sonnenschein, unsere Victoria.
Aber nachdem sie eine Weile gemault hatte, weil sie kein Pfefferminz und keine Haarbürste und kein Frühstück aus dem Laden hatte mitgehen lassen, stand sie schließlich auf und half mir suchen.
Nachdem wir eine halbe Stunde ergebnislos gesucht hatten, sagte sie plötzlich, laut genug, dass jeder Mensch es gehört hätte, der draußen am Fenster vorbeigegangen wäre: »Die Sprayer in dieser Stadt haben wirklich zu viel Zeit.«
Ich rannte zu ihr, um sie zum Schweigen zu bringen. »Sprayer?«
Sie zeigte auf die umliegenden Kistenstapel, und ich sah, was sie meinte. Eine Kiste pro Stapel war mit Graffiti bedeckt. »Der Laden von meinem Dad kriegt jeden Monat was ab, aber so toll waren seine noch nie.«
Sie zeigte auf eine Kiste, die im Schatten kaum zu sehen war. Die anderen Kisten zeigten typische Tags – Namen und Symbole –, aber diese war mit schwarzem Filzstift bemalt – eine Zeichnung von einem Teenager mit einem Pfotenabdruck auf der Wange, der bärenartige Klauen hob.
Ich grinste. »Simon.« Als Tori mir einen kapier-ich-nicht-Blick zuwarf, sagte ich: »Das ist Simon.«
»Äh, nein. Das ist ein Typ mit einer Pfote auf der Backe.«
»Es ist Simons
Zeichnung.
Das ist eine von seinen Comicfiguren.«
»Das hab ich auch gesehen.«
»Hilf mir, die Kiste wegzuschieben.«
Sie rührte sich nicht. »Warum?«
»Weil die Nachricht«, ich wuchtete die oberste Kiste allein vom Stapel, »da drunter ist.«
»Warum soll er da eine Nachricht …«
Und richtig, unter der Kiste lag ein zusammengefaltetes Blatt. Wir stürzten uns beide darauf. Ich war schneller.
Simon hatte drei Bildchen gezeichnet. In der linken oberen Ecke war ein Geist, sozusagen die Adresszeile. In der Mitte des Blattes war eine große Zeichnung von Arnold Schwarzenegger als Terminator. Unten, dort, wo die Unterschrift hingehörte, war ein von Nebel umgebener Blitz. Neben das Bild hatte jemand in drei Zentimeter großen Buchstaben gekrakelt: 10.00.
Tori riss es mir aus der Hand und drehte es um. »Und wo ist die Nachricht?«
»Da.« Ich zeigte von einem Bild zum anderen. »Da steht: ›Chloe, I’ll be back, Simon.‹«
»Okay, das ist einfach nur abgedreht. Und was soll das da?« Sie zeigte auf die Zeitangabe.
»Das dürfte Derek gewesen sein, der sichergehen wollte, dass ich weiß,
wann
sie zurückkommen werden.«
»Nur ein Mal pro Tag?«
»Sie gehen jedes Mal ein Risiko ein, wenn sie sich hier reinschleichen. Und auf die Zeit kommt es gar nicht so sehr an. Wenn ich die Nachricht gefunden habe, kann Derek mich riechen und der Fährte folgen.«
Sie rümpfte die Nase. »Wie ein Hund?«
»Ja, cool, was?«
»Äh, eigentlich nicht.« Sie verzog das Gesicht. »War also kein Scherz, dass er ein Werwolf ist? Das erklärt einiges, findest du nicht auch?«
Ich zuckte mit den Schultern und sah auf die Uhr. »Wir müssen noch eine gute Stunde warten, also …« Ich fluchte unwillkürlich, und Tori zog mit gespielter Überraschung die Augenbrauen hoch.
»Wir können nicht einfach warten, bis sie herkommen«, erklärte ich, »nicht, wenn da draußen jemand von der Edison Group
Weitere Kostenlose Bücher