Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
Wache schiebt.«
     
    Es war nicht eine Person, die für die Edison Group Wache schob, es waren zwei. Ich bat Liz, alle möglichen Zugangswege herauszufinden. Sie kam zurück und nannte vier: das Haupttor, die vordere Lieferanteneinfahrt, die hintere Lieferanteneinfahrt und den gesamten Zaun um das Gelände.
    Ich bezweifelte, dass Derek noch einmal den Weg über den Zaun wählen würde, denn dort oben würde er für alle Welt sichtbar sein. Wäre ich er gewesen, dann hätte ich mir den Zugang ausgesucht, den die Edison Group gestern genommen hatte – die hintere Lieferanteneinfahrt.
    Aber ich kannte Derek auch gut genug, um zugeben zu können, dass ich ihn nicht gut genug kannte, um seine Vorgehensweise wirklich voraussagen zu können. Also mussten wir uns trennen, um alle drei Eingänge im Auge zu behalten. Und ich musste in Liz’ Nähe bleiben, weil sie nur mit mir reden konnte. Das bedeutete, dass Tori die hintere Zufahrt bekam. Ich konnte nur darum beten, dass sie auch wirklich daran denken würde, sie zu beobachten.
     
    Um halb zehn hatten wir unsere Posten bezogen. Das Firmengelände lag am Rand eines Wohngebiets – ein Viertel mit großen alten Häusern, zu denen ein paar Straßenblocks weiter auch Lyle House gehörte. Von dort waren Derek und ich in der Nacht zum Sonntag gekommen, und ich erinnerte mich noch in etwa an den Weg, den wir genommen hatten. Die Straßen verliefen in Nord-Süd-Richtung, und die Fabrik lag am südlichen Ende des Viertels.
    Ich bezog meinen Posten hinter einem der letzten Häuser. Das Fabrikgelände war nur durch die Straße von ihm getrennt. Die Bewohner waren nicht da, die Zufahrt zum Haus war leer und die Fenster dunkel. Ich kauerte hinter einem Geräteschuppen und beobachtete die Lieferanteneinfahrt der Fabrik, bereit zu pfeifen, sobald ich die zwei entdeckte. Um dreiviertel zehn fuhr ein Geländewagen im Schritttempo vorbei – es war das Auto der Edison Group, vor dem Derek und ich am Samstagabend davongerannt waren.
    Als es an mir vorbeikam, sah ich Mike auf dem Fahrersitz und Toris Mutter neben ihm, die aufmerksam zum Beifahrerfenster hinaussah. Das Auto fuhr bis zur Ecke des Fabrikgeländes weiter und bog dort nach rechts ab.
    Ich wartete, bis es außer Sicht war, und sprang dann auf. In dem Moment, in dem ich mich bewegte, ragte ein Schatten über mir auf. Ich riss meine Fäuste in die Luft, aber bevor ich mich auch nur umdrehen konnte, packten mich zwei Hände – eine legte sich mir über den Mund, die andere um die Taille – und zogen mich wieder hinter den Schuppen.
    »Ich bin’s«, grollte eine tiefe Stimme.
    Die Hände ließen mich los, und ich drehte mich um. Da stand Derek in voller Größe, die gesamten eins achtzig oder sogar noch mehr. Vielleicht war es einfach nur die Freude darüber, ihn zu sehen, aber er sah besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Sein schwarzes Haar war immer noch schlaff, das Gesicht war immer noch pickelig, aber er sah … besser aus.
    »Ich bin ja so froh, dich zu sehen«, sagte ich, während ich zu ihm hinaufgrinste.
    Sein Schnauben teilte mir mit, dass die Empfindung nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruhte. Vielleicht hätte ich eine Spur enttäuscht sein sollen, aber ich war zu erleichtert, um mir etwas draus zu machen. In diesem Moment war Dereks typisches finsteres Starren besser als jedes Lächeln.
    »Ich bin so froh …«
    »Schon kapiert«, sagte er. »Hör auf zu hopsen, Chloe, bevor sie dich bemerken.«
    »Sie sind weg. Deswegen …« Ich warf einen Blick hinter ihn, und mein Grinsen verblasste. »Wo ist Simon? Es ist doch alles okay, oder?« Ich zerrte den Beutel mit dem Insulin hevor. »Ich weiß, dass er das hier braucht, es war …«
    »Das ist sein Ersatzbeutel. Er hatte sein Zeug in der Tasche.«
    »Oh. Okay. Äh, gut. Wo ist er also?«
    »Auf der Rückseite. Ich hab Tori gerochen, also haben wir gedacht, es ist eine Falle, und …«
    »Tori! Ihre Mom – dieses Auto – wir müssen sie warnen!«
    »Was?«
    Ich fuhr herum und winkte ihm zu, mir zu folgen. Ich rannte durch den Garten und sprang auf dem Weg zu der Straße, die der Geländewagen genommen hatte, von Deckung zu Deckung. Derek versuchte, Schritt zu halten. Seine scharf gezischten Varianten von »Chloe, komm zurück!« mischten sich mit härteren Flüchen, wenn ich mich durch Lücken schob, durch die er nicht passte.
    Schließlich, als ich an einer Hecke entlangrannte, erwischte er mich am Kragen meiner Jacke, riss mich von den Füßen

Weitere Kostenlose Bücher