Seelennacht
eingezäunten Garten hinüber. »War vorhin noch im Haus.«
In der Erwartung, einen Dobermann geifernd am Zaun stehen zu sehen, folgte ich seinem Blick, bis ich ein kleines weißes Pelzknäuel sah – die Sorte Hund, die Frauen in ihrer Handtasche mit sich herumtragen. Er bellte nicht einmal, glotzte lediglich zu uns herüber und tanzte auf der Stelle.
»O mein Gott! Es ist ein Killerzwergspitz!« Ich sah zu Derek auf. »Es wird hart, aber ich glaube, du bist ihm gewachsen.«
Ein wütender Blick. »Das ist nicht …«
Der Wind schwang um, und der Hund erstarrte. Derek fluchte und zog mich nach hinten. Der Hund stieß ein einziges leises, durchdringendes Winseln aus, und dann rastete er aus, hüpfte und sprang und kläffte, ein Miniaturtornado aus weißem Pelz, der sich gegen den Gartenzaun warf.
Derek zerrte mich wieder hinter den Minivan. Dort waren wir außer Sicht des Hundes, aber er bellte und knurrte weiter, der Drahtzaun schepperte bei jedem Aufprall.
»Er hat mich gerochen«, erklärte Derek. »Der Werwolf-Effekt.«
»Flippen die da immer aus?«
Er schüttelte den Kopf. »Früher hab ich sie einfach nur nervös gemacht. Sie haben einen Bogen um mich gemacht, vielleicht mal ein bisschen gebellt. Inzwischen?« Er zeigte in die Richtung des Lärms. »Kriege ich das da. Wir müssen dafür sorgen, dass er aufhört.«
»Ich … Moment. Liz?«
Sie kam bereits auf uns zugerannt.
»Könntest du den Hund da ablenken?«, fragte ich. »Ich glaube, er will Stöckchen spielen.«
Sie runzelte die Stirn, dann lächelte sie. »In Ordnung, ich kümmer mich drum.«
»Stöckchen spielen?«, flüsterte Derek, als sie hinüberlief. »Was …«
Ich winkte ihn zum Heck des Minivan und zeigte über die Straße. Drüben auf der anderen Seite des Zauns hing ein Stock in der Luft. Dann begann er zu wippen. Liz hielt ihn in der Hand, aber Derek sah nur den Stock. Der Hund sah zu, wie der Stock davonflog, drehte sich dann aber wieder zum Zaun, und das Bellen und Hochspringen begann von vorn. Liz holte den Stock zurück und tippte dem Hund damit auf den Rücken. Als sie sich seine Aufmerksamkeit gesichert hatte, schleuderte sie den Stock davon. Dieses Mal jagte der Hund hinterher.
Ich sah zu Derek auf, er starrte dem Hund nach.
»Weißt du noch, dass Liz immer gedacht hat, sie hätte einen Poltergeist? Hat sich rausgestellt, dass sie selbst der Poltergeist
ist.
Sie ist eine Halbdämonin mit der Gabe der Telekinese.«
»Hm.« Er drehte sich wieder um, um weiter hinüberzustarren, wobei er langsam den Kopf schüttelte, als fragte er sich, warum er nicht selbst draufgekommen war. Wahrscheinlich weil er nicht gewusst hatte, dass Halbdämonen telekinetisch begabt sein konnten. Aber in Dereks Augen würde das als Entschuldigung nicht ausreichen.
»Die Luft ist rein!«, schrie Liz. »Und der Hund fängt an, sich zu langweilen!«
Derek und ich rannten über die Straße und gingen weiter bis zu der Lieferantenzufahrt auf der anderen Seite, die zwischen den halb industriellen Gebäuden am Rand des Fabrikgeländes hindurchführte. Dann blieb Derek stehen.
»Tori«, sagte er.
Ich spähte an ihm vorbei. »Wo? Ich sehe nichts …« Dann stellte ich fest, dass er das Gesicht in den Wind gehoben hatte. »Nicht gesehen, gewittert, stimmt’s?«
Er nickte und führte mich zu der Stelle, wo sie hinter einer Mauer kauerte und um die Ecke herumspähte.
»Wir sind’s«, flüsterte ich.
Sie sah Derek und beugte sich vor, um an ihm vorbeisehen zu können, ohne auch nur hallo zu sagen. »Wo ist Simon?«
»Er …«
»Alles okay mit ihm? Warum ist er nicht hier?« Wütend starrte sie zu Derek hinauf. »Wo hast du ihn gelassen?«
»Ist in einer Gasse umgekippt.« Derek runzelte angestrengt die Stirn. »Bin mir nicht mehr sicher wo …«
»Er verarscht dich«, sagte ich, als Tori fassungslos zu stammeln begann.
»Wir müssen hier weg.« Derek zeigte mit dem Daumen auf Tori, ohne mich anzusehen. »Sie ist deine Verantwortung.«
»Wie bitte?«, fragte Tori, nun noch wütender.
Derek warf nicht einmal einen Blick in ihre Richtung. »Sorg dafür, dass sie nicht verlorengeht. Und den Mund hält.«
Als wir uns auf den Weg machten, kam Liz zurück und berichtete, dass die Angehörigen der Edison Group im Fabrikhof waren. Auch dieses Mal waren sie durch die hintere Einfahrt gekommen. Wir fanden die Stelle, wo Derek Simon zurückgelassen hatte – hinter einem Gebäude, dessen zugenagelte Fenster mit verblichenen Zu
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