Seelennoete
Taschenmesser heraus, das George ihm geschenkt hatte. Er war sehr stolz darauf. Dann klappte er es auf und nahm eine Muschel und eine Rolle Faden aus einer anderen Tasche. Er legte die Muschel auf die Steintreppe und bohrte mit dem Messer ein kleines Loch hinein. Er nahm ein Stück Faden, zog es durch das Loch und verknotete die Enden.
„Halskette“, sagte Sam und hielt Liz das Ergebnis hin.
„Oh, Sam, ist das süß!“, rief Liz. „Ihr Tiefseekerle habt es echt drauf.“ Sie zog sich die Kette über den Kopf. Dann küsste sie Sam auf die Wange: „Danke.“
Sams Wangenfarbe passte plötzlich zu Liz’ Frisur.
„Hab ich gern gemacht.“
Laine stand am Fenster und beobachtete Sam und Liz.
Eine Träne lief ihr über die Wange.
„Das wäre die letzte Chance gewesen“, sagte George plötzlich hinter ihr. „Wenn du mit Sam zusammen sein möchtest, dann sprich mit ihm. Ansonsten lass ihn jetzt seinen Weg gehen. Er zeigt ein ganz gesundes Verhalten und knüpft Kontakte. Er braucht Zuneigung, Bestätigung und Verlässlichkeit. Du kannst Sam nicht für dich allein reservieren. Er wird sich, ganz unabhängig von dir, andere Freunde suchen. Und das ist gut so. Und wenn du dich für ihn entscheidest, dann musst du diesmal dabei bleiben.“
„Ich weiß“, sagte Laine. „Aber ich liebe sie beide, was soll ich denn jetzt machen? Ich will auch nicht mit Bill Schluss machen!“
„Dann kannst du nur eins tun, mein Kind.“
„Was denn?“, fragte sie.
„Tapfer sein.“
„Sam, wir fahren jetzt!“, rief George in den Garten. Sam stand sofort auf. Er sah unschlüssig zwischen Liz und George hin und her.
„Darf Liz auch mitfahren?“, fragte er.
„Wenn sie Lust und Zeit hat“, sagte George.
„Hast du Lust und Zeit, mit mir zu fahren?“, flüsterte Sam Liz zu. Sie lächelte.
„Klar“, flüsterte sie zurück.
„Gut“, sagte Sam. Die beiden gingen zum Haus. Laine sah die Kette um Liz’ Hals und schluckte. Sie wandte sich ab.
„Ich bleibe hier“, sagte sie zu ihrem Vater.
George hob die Augenbrauen.
„Ist es denn tapfer, hier zu bleiben?“, fragte er.
„Nein“, schluchzte sie, „aber ich kann einfach nicht …“
„Dann sprich endlich mit ihm.“
Sam kam mit Liz durch die Diele, als Laine ihnen in den Weg trat.
„Kann ich kurz mit dir reden, Sam?“
„Worüber?“, fragte Sam.
„Können wir das allein besprechen? Bitte.“
„Bin schon weg. Bis gleich, Sam“, sagte Liz.
Dann waren sie allein.
Ein paar Sekunden standen sie sich stumm gegenüber. Dann brach Laine in Tränen aus.
„Es tut mir alles so leid!“
„Was denn?“, fragte er.
„Ich weiß nicht. Alles! Ich hab das Gefühl, wir sind keine Freunde mehr. Ich kann das gar nicht aushalten. Warum kann es nicht so sein wie früher, als wir dich besucht haben?“
Sam schüttelte den Kopf.
„Ich will es so nicht mehr. Ich war die ganze Woche über allein. Und wenn ich euch gesehen habe, dann habe ich deutlich gespürt, dass ihr euch hattet und ich nach ein paar Stunden mit euch wieder eine Woche allein sein musste. Für dich war das vielleicht schön, aber für mich ist es jetzt schöner, wo George mich akzeptiert und ich in dieses Haus darf und alle mit mir reden.“
Laine nickte. „Ich bin eine egoistische Kuh, Sam. Bitte verzeih mir.“ Sie ging auf ihn zu und umarmte ihn. Sam zögerte eine Sekunde, dann erwiderte er die Umarmung.
„Es gefällt dir nicht, dass ich mit Bill zusammen bin“, flüsterte sie.
„Nein, es gefällt mir nicht“, flüsterte Sam zurück.
„Ich liebe ihn und dich auch. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.“ Laine schluchzte leise. Sam legte seine Wange an ihre und sie fühlte, wie er mit seiner kühlen Hand tröstend über ihren Rücken strich.
„Warum kannst du nicht zwei feste Freunde haben?“, fragte Sam.
„Geht nicht. Das ist so ein Menschenkram. Aber du weißt, wie gern ich dich habe. Das weißt du. Vielleicht verstehst du es eines Tages.“
„Heute ist dieser Tag aber noch nicht.“
„Es tut mir leid, Sam. So furchtbar leid. Verzeih mir.“
Laine überlegte, ob sie etwas wegen Liz sagen sollte, schwieg dann aber. Sam konnte solche Dinge selbst entscheiden. Bill und sie hatten ihn manchmal wie ein unmündiges Kind behandelt, was er nicht war. Er war nur fremd in dieser Welt, mehr nicht.
„Bist du noch mein süßer Meeresfreund?“, fragte sie.
„Ja, bin ich.“
„Weißt du noch, wie ich dir deinen ersten Schokoriegel gegeben
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