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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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habe?“
    Er lachte leise. „Ja. Ich war so scharf da drauf. Ich konnte mich kaum zurückhalten.“
    Sie legte ihre Wange nochmals kurz an seine.
    „Wir sollten zum Auto gehen. Die anderen warten schon“, sagte Laine.
    Als sie die Auffahrt betraten, standen beide Autotüren offen. George saß bereits hinterm Steuer und Liz auf dem Rücksitz. Laine seufzte, dann stieg sie vorne ein, damit Sam neben Liz sitzen konnte.
    Tapfer sein.
     
     

     
    Der alte Mann saß in einem Stuhl am Fenster und starrte hinaus. Das Wetter war gut. Ein Spaziergang im Park der Klinik wäre zwar eine Abwechselung gewesen, aber wie an fast allen Tagen hatte er keine Lust darauf. Er war müde. Wieder hatte er nachts keine Ruhe gefunden. Die Träume und Bilder, die ihn heimsuchten, ließen sich nicht abschütteln und er dachte oft darüber nach, was ihm seine Seele damit sagen wollte. Er konnte sich kaum noch erinnern, was an dem Tag, der sein Leben verändert hatte, passiert war. Er war mit seinem Sohn rausgefahren, raus aufs Meer ... wie sie es immer taten, und dann ... hier hakte seine Erinnerung. Was er im Traum sah, konnte so nicht passiert sein. Nur den Schuss, den hörte er deutlich in den Ohren, vor allem nachts, wieder und wieder. Der Schuss war real. Er hatte geschossen, aber warum? Und da war Blut, kaltes Wasser und blondes Haar. Er rettete seinen Sohn fast jede verdammte Nacht, der dann in seinen Armen verblutete ... und er konnte nichts tun, während das Leben aus seinem Jungen herauslief. Sam sah dann zu ihm auf und flüsterte: „Hast du mir Blut abgenommen? Die Kinder brauchen die Medizin.“ Danach verlor Sam das Bewusstsein und er legte ihm einen Finger auf die Stirn und zählte bis drei, damit er wieder aufwachte. Aber Sam kam nicht mehr zu sich. Er zählte und weinte und hielt Sams toten, blutüberströmten Körper über Wasser.
    Er hatte an diesem Tag seinen Sohn erschossen. Er war sich ganz sicher. Aber die Ärzte wollten nichts davon wissen. Stattdessen stopften sie ihn mit Tabletten voll, die ihn müde machten. Doch an Schlaf war nicht zu denken, denn dann holten ihn die Alpträume wieder ein ...
    Als es an der Tür klopfte, reagierte er nicht. Meistens war es doch nur die Schwester mit irgendwelchen Pillen. Und tatsächlich steckte eine Schwester den Kopf zur Tür herein.
    „Besuch für Sie“, sagte sie und verschwand wieder.
    Der alte Mann drehte unwillig den Kopf. Der dunkelhaarige Junge, der in der Tür stand, kam ihm wage bekannt vor.
    „Hi, Doc Abernathy“, sagte er. „Erinnern Sie sich an mich? Bill. Ich war in Ihrer Biologieklasse.“
    „Was willst du“, sagte Abernathy gequält. „Ich will niemanden sehen.“
    Bill zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Er beugte sich leicht vor.
    „Ich weiß das von Ihrem Sohn“, flüsterte er im Verschwörertonfall.
    Abernathy sah auf. „WAS weißt du??“
    „Ich weiß, wo er ist“, sagte Bill.
    „Du weißt …“ Abernathys Stimme überschlug sich fast.
    „Schschscht“, machte Bill. „Nicht so laut, das darf keiner hören.“
    „Die glauben mir hier nicht“, sagte Abernathy leiser, aber aufgeregt. „Die sagen, ich habe keinen Sohn. Ich! Ich hätte keinen Sohn! Die wissen nicht, was sie mir damit antun. Aber ich habe ihn erschossen! Ich bin ein Mörder …“ Der alte Mann schluchzte auf. Bill legte ihm die Hand auf den Arm.
    „Ich glaube Ihnen.“
    „Wirklich?“ Abernathy schniefte.
    „Ja. Und wissen Sie was? Ich sage Ihnen jetzt ein Geheimnis. Sie dürfen mit niemandem darüber sprechen. Kapiert?“
    „Ja.“
    „Ihr Sohn … ist nicht tot. Sie haben ihn nur angeschossen. Er hat überlebt.“
    Abernathy starrte Bill entgeistert an.
    „Was? Warum weiß ich davon nichts?“
    „Weil er im Untergrund für die Regierung arbeitet, wissen Sie das nicht mehr? Deshalb sind Sie mit ihm rausgefahren, um einen Kontaktmann zu treffen.“
    Abernathy dachte nach. „Nein, das weiß ich nicht mehr. Lebt er wirklich? Oh, mein Gott! Mein kleiner Sam lebt noch! Bist du sicher? Wo ist er? Ich muss ihn sehen!“
    „Schscht! Leise!“
    „Oh, Verzeihung. Ich bin nur … es geht mir so schlecht. Ich kann einfach nicht mehr. Seit Wochen hört mir hier keiner zu. Mein lieber, kleiner Junge … ich kann das erst glauben, wenn ich ihn sehe.“
    „Ich kann Sie zu ihm bringen. Aber Sie dürfen sich nichts anmerken lassen. Sie müssen weiter Ihre Rolle hier spielen, sonst gefährden Sie Sam und das Projekt der Regierung. Mit denen ist nicht zu spaßen. Das wissen Sie

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