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Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Oliver
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Riley mit Feuereifer ein Flugblatt entgegen. Das Traktat sah dem, das sie in ihrer Jackentasche hatte, auffällig ähnlich. Demjenigen, das der Engel ihr gegeben hatte, ehe sie zugestimmt hatte, für den Himmel zu arbeiten, um das Leben ihres Freundes zu retten.
    »Das Ende ist nah!«, rief der Mann erneut.
    »Hab ich noch Zeit für eine heiße Schokolade?«, fragte Riley.
    Der Endzeittyp blinzelte. »Äh, vielleicht. Ich weiß nicht.«
    »Gut«, sagte sie, »ich hasse es, mich mit der Hölle anzulegen, ohne vorher vollgetankt zu haben.«
    Damit erntete sie ein verwirrtes Stirnrunzeln. Statt irgendetwas zu erklären, stopfte sie das Traktat in ihre Tasche und stieß die Tür zum Café auf, während der Mann wieder dazu überging, sein Publikum zu ermahnen, sich auf das Schlimmste vorzubereiten.
    Das Grounds-Zero-Café sah noch genauso aus wie bei ihrem letzten Besuch. Der Geruch nach gerösteten Kaffeebohnen hing in der Luft wie ein berauschendes Parfüm, und die Espressomaschine brummte tief und leise. Gäste tippten etwas in ihre Laptops ein, während sie den teuren Kaffee genossen und sich über alles unterhielten, was in ihren Leben wichtig war. Es war so wie jeden Tag. Außer …
    Außer, dass jetzt alles seltsam war.
    Sogar, sich eine heiße Schokolade zu kaufen. Das war immer so einfach gewesen: die Bestellung aufgeben, zahlen und das heiße Getränk entgegennehmen. Kein Problem. Doch heute schien das nicht so einfach zu sein.
    Der Kellner starrte sie unentwegt an, während er die Schokolade zubereitete, was nicht besonders klug war, weil er sich dadurch beinahe selbst verbrühte. Vielleicht lag es an den unzähligen Brandlöchern in ihrer Jeansjacke oder an dem ausgefransten Riss im Ärmel, durch den ihr T-Shirt darunter zu sehen war. Oder an der Tatsache, dass ihr langes braunes Haar sich kräuselte, als hätte sie zu nah am Feuer gestanden, obwohl sie es zweimal mit Shampoo gewaschen und Unmengen von Spülung verbraucht hatte. Immerhin hatte sie die Hose gewechselt, sonst würde der Typ auf das eingetrocknete Blut starren. Blut, das nicht von ihr stammte.
    »Ich habe dich im Fernsehen gesehen. Du gehörst zu denen, stimmt’s?«, fragte er mit zitternder Stimme. Die braunen Augen waren so weit aufgerissen, dass sie den Großteil seines Gesichts auszumachen schienen.
    Im Fernsehen?
Riley blieb nichts anderes übrig, als zu gestehen. »Ja, ich bin Dämonenfängerin.«
Eine der wenigen, die das Glück hatten, das Gemetzel letzte Nacht zu überleben.
    Der Mann knallte den Keramikbecher auf den Tresen, so dass etwas von der braunen Köstlichkeit überschwappte und auf die Untertasse lief. Dann wich er zurück, als wüchsen Riley Hörner aus dem Schädel.
    »Schlagsahne?«, fragte sie stirnrunzelnd. Und wenn die Welt unterging, heiße Schokolade musste dieses phantastische weiße Zeugs obendrauf haben, warum bestellte man sie sich sonst? Widerwillig gab er das Sahnehäubchen dazu, wobei er eher sie als die Tasse im Auge behielt. Etwas von der Sahne landete tatsächlich in der Tasse. »Schokostreusel?«, soufflierte sie.
    »Äh …, die sind alle«, sagte er.
    Es ist nur ein blöder Schisser. Keine große Sache.
    Aber es war nicht nur er. Andere Gäste starrten sie an, als sie zu einer freien Nische ging. Einer nach dem anderen blickte zu dem Fernseher hoch, der hoch oben an der Wand hing, und dann wieder zu ihr, um die Bilder zu vergleichen.
    O Mist.
    Dort oben flimmerte, dank CNN , die Katastrophe der letzten Nacht in bunten Farben über den Bildschirm. Flammen schlugen aus dem Dach des Tabernakels, während überall Dämonen herumrannten. Und da war sie selbst, angestrahlt vom wütenden Feuer, wie sie auf dem Bürgersteig neben ihrem verletzten Freund kniete. Weinend hielt sie Simon in den Armen. Es war der Moment gewesen, in dem sie gewusst hatte, dass er sterben würde.
    O Gott, das halte ich nicht aus.
    Die Untertasse in Rileys Hand begann zu beben, noch mehr heiße Schokolade schwappte über. Es war schon schlimm genug gewesen, diesen Horror zu erleben, aber jetzt wurde es auch noch im Fernsehen gezeigt, in voller Länge und gnadenlos in allen Einzelheiten.
    Sie blieb neben einer Nische stehen, als ein Bild von Simon eingeblendet wurde. Es musste das Abschlussfoto von der Highschool sein, da sein hellblondes Haar noch kürzer und seine Miene total ernst war. Das war sein normaler Gesichtsausdruck, es sei denn, sie waren zusammen; dann gab er seine Zurückhaltung auf, vor allem, wenn sie sich

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