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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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hätte ich es jetzt bemerkt. Die Dame war patent.
    Nach etwa einer Minute konnte ich mich nicht mehr beherrschen.
    »Ich dachte, Sie hegen kein Interesse an profanen Schriften? Die hier scheint Sie sehr zu fesseln.«
    »Alles im Auftrag der Kirche. Armut, Keuschheit und Gehorsam.«
    »Drei schreckliche Worte.« Ich schüttelte mich. Sie schaute mir noch einmal mit einer Mischung aus Spott und Ernst in die Augen worauf sie sich wieder in die Papiere vertiefte. Ich saß da wie allein, trank meinen Kaffee und wartete darauf, dass sie fertig würde. Schließlich war sie so weit, ordnete die einzelnen Blätter und räumte sie in einen schwarzen Rucksack.
    »Mein Honorar?« Nicht dass ich es noch nötig hatte, aber es galt, den Schein zu wahren.
    »Wird bezahlt werden.«
    »Gewöhnlich geschieht das bei der Übergabe.«
    »Armut. Ich trage kein Geld bei mir.«
    »Wie machen wir es dann? Soll ich Ihnen eine Bankverbindung angeben?«
    »Nein. Bruder Erich ist da sehr streng. Sie werden in bar bezahlt werden.«
    »Wann und wo?«
    »Die Papiere müssen noch geprüft werden, von sachkundigeren Augen, als es meine sind. Dann sollte dem nichts mehr im Wege stehen. Bruder Erich meinte um zehn Uhr, an der bekannten Adresse.«
    »Freu mich schon, Sie wiederzusehen.«
    »Keuschheit«, lächelte sie, stand auf und ging. Zurück blieb ich mit zwei leeren Kaffeetassen, allein und mit einem schlechten Gefühl im Magen. Eigentlich hätte ich glücklich sein müssen. Ein guter Kaffee, ein schöner Tag und ein Flirt mit einer interessanten Frau, was will man mehr. Aber Erich wusste um die Bedeutung ihres Namens. Er liebte solche Spielchen. Alle wissen, was mit dem armen Tischlersohn an dem Tag passierte, als ihm Veronika begegnete. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, den Termin am Abend sausen zu lassen und mich mit meinem Geld abzusetzen. Wie will man vor der Kirche fliehen? Vor einer Organisation, die die Welt umspannt und über unbegrenzte Mittel verfügt, sowohl materieller als auch spiritueller Natur. Descartes hatte das probiert, alles, was er erreicht hatte, war ein mühseliges Leben auf der Flucht, bis er schließlich im eisigen Schweden an einer Lungenentzündung starb. Außerdem musste ich an die Verbrecher denken, die sich mit ihrem Geld nach Südamerika absetzen und dann zwanzig Jahre lang irgendwo dahinvegetieren, bis sie schließlich gebrochen und reumütig zurückkehren. Verurteilung und Gefängnis warten auf sie. Aber nicht auf mich. An Flucht war nicht zu denken, da half alles nichts, in diesen bitteren Apfel musste gebissen werden.

IV
    Pünktlich um zehn Uhr stand ich vor der Blumenstockgasse 5. Drückende Nachthitze und böse Vorahnungen machten mir zu schaffen. Die Gassen rund um die Franziskanerkirche waren wie ausgestorben, was den Eindruck einer barocken Morbidität, den ich das letzte Mal verspürt hatte, noch verstärkte. Ich wusste jetzt um das Geheimnis, Tür auf, Arno rein. In nahezu vollkommener Dunkelheit stieg ich die Treppe hinauf und klopfte, mir wurde aufgetan. Veronika im Habit.
    »Servus«, meinte ich fröhlich, sie legte nur den Zeigefinger an die Lippen und schüttelte sacht den Kopf. Ich trat ein und sie schloss die Türe hinter mir. Dann gings wieder den langen Gang entlang, mit den Porträts der Erzbischöfe und Kardinäle vergangener Tage. Da nur ein kleines Licht brannte, war es düster und die geistlichen Würdenträger an der Wand wirkten Furcht einflößend. Es gibt da eine kleine Story von Lovecraft, die sich auch um ein Haus mit seltsamen Porträts dreht. Mir ging es ähnlich wie dem Protagonisten dort. Endlich kamen wir an die Tür, ein leises Klopfen und ich trat ein. Schwester Veronika wartete draußen. Von Bruder Erich fehlte jede Spur.
    »Linder, kommen Sie her zu mir und nehmen Sie Platz.« Ich tat wie geheißen. Solange nicht von mir erwartet wurde, seinen Ring zu küssen, sollte mir alles recht sein, so gut wie alles.
    Vor dem Kardinal, auf dessen wunderschönem Schreibtisch nur eine Leselampe augenfreundliches Licht verströmte, lagen die Alibipapiere. Offensichtlich schon gut durchgesehen. Ansonsten war es dunkel im Raum, die Wände nicht zu sehen.
    »Es stimmt mich froh, dass Sie Vernunft angenommen haben und die Früchte dieses Gesinnungswandels nun vor mir liegen. Ihr persönlicher Einsatz soll belohnt werden, schließlich waren Sie einigen Risiken ausgesetzt.« Pause. Ich sagte nichts. Dann gings weiter.
    »Obwohl die Papiere nicht uninformativ sind, ist doch eine gewisse

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