Seelentraeume
Baby, ein kleines Leben, das gefüttert werden will. Denk mal darüber nach.«
»Das muss ich nicht. Natürlich würde ich das Baby annehmen«, gab Charlotte zurück. Annehmen und lieben. Ob sie es selbst ausgetragen hatte, würde dabei keine Rolle spielen.
»Selbstverständlich. Du bist in jeder Hinsicht meine Tochter, nur dass du nicht mit mir blutsverwandt bist, und ich kenne dich. Ich glaube, du wärst eine ausgezeichnete Mutter.«
Heiß traten Charlotte Tränen in die Augen. Doch sie hielt sie zurück. »Danke.«
»Und was sagt dein Mann zu alldem?«
»Kinder bedeuten ihm sehr viel. Er erbt nur, wenn er einen Stammhalter vorweist.«
Die Ältere verdrehte die Augen. »Bedingte Erbfolge? Oh, ihr Freuden eines adligen Stammbaums und eines bescheidenen Vermögens. Ist das eine neue Entwicklung? Ich kann mich nicht erinnern, dass das Bestandteil eures Ehevertrages war.«
Charlotte seufzte. »War’s auch nicht.«
»Hat er vor eurer Heirat davon gesprochen, dass er einen Stammhalter verlangt?«
Charlotte schüttelte den Kopf.
Lady Augustines Miene vereiste. »Ich halte nichts davon, wenn man mich belügt. Wann hast du es erfahren?«
»Als wir erkannten, dass wir ein Problem mit dem Kinderkriegen haben.«
»Derlei Unterhaltungen sollte man führen, ehe man seinen Namen unter den Vertrag setzt. Und nicht nur das, dieser Punkt hätte förmlich offengelegt werden müssen.« Ihr Blick ging in die Ferne, wie er es immer tat, wenn sie sich an etwas zu erinnern versuchte. »Wie konnte ich mich so irren? Er schien eine so gute Partie, ein so maßvoller Mann zu sein. Niemand, der Probleme machen würde.«
Ein maßvoller Mann
? »Was soll das heißen?«
»Charlotte, du brauchst jemanden Beständiges, jemanden, auf den du dich verlassen kannst, der dir mit Rücksicht begegnet. Du bist seit über zehn Jahren Heilerin, deine Magie ist ausgehungert und erschöpft, weil sie immer wieder dasselbe tut. Du könntest leicht aus dem Gleichgewicht geraten. Deshalb bin ich noch hier.« Mit einer eleganten Geste deutete Lady Augustine auf den Garten. »Heiterkeit, Schönheit und wenig Aussichten auf psychische oder physische Traumata. Deshalb werden manche Veteranen nach einem blutigen Krieg Mönche.«
Sollte das heißen, dass sie zu anfällig war, um außerhalb der Collegemauern zu bestehen? Charlotte biss die Zähne zusammen. »Vielleicht wusste Elvei ja gar nichts von den Erbfolgebedingungen.«
»Ach was, natürlich wusste er davon. Wir wachsen wissend auf, Charlotte, er hat absichtlich damit hinter dem Berg gehalten, weil ich sonst niemals in eure Heirat eingewilligt hätte.«
Charlotte hob den Kopf. »Hätte er das zu einer Voraussetzung des Ehevertrages gemacht, hätte ich ihn nicht geheiratet. Ich wollte keinen Vertrag unterschreiben, um anschließend Kinder zu produzieren. Ich wollte heiraten, und ich glaube, er wollte dasselbe.«
»Er wollte zum Heilen begabte Kinder«, sagte die Ältere.
Charlotte blieb stehen.
»Es tut mir leid, Schatz«, sagte Lady Augustine. »Das hätte ich besser nicht gesagt. Das war grob von mir. Aber ich bin so wütend, das trübt mein Urteilsvermögen. Meine Schuld. Genau das wollte ich vermeiden, und jetzt habe ich dich enttäuscht. Es tut mir furchtbar leid.«
»Ich bin kein Kind mehr«, gab Charlotte zurück. »Ich werde bald dreißig, und für meine Heirat bin ich selbst verantwortlich.«
»Du hast eine Ausbildung, aber das Garner College hat dich nicht auf die Härten des Lebens jenseits dieser Mauern vorbereitet. Dein Alter spielt keine Rolle, du hast einfach nicht die Erfahrung, dich mit Menschen außerhalb einer überwachten Umgebung herumzuschlagen. Niemand hat dich je verraten, verletzt oder übers Ohr gehauen. Du bist niemals gekränkt worden. Ich dagegen blicke den Menschen jeden Tag tief in die Seele, und was ich dort sehe, erfüllt mich ebenso sehr mit Freude wie mit Furcht. Ich hätte dich so gerne davor bewahrt.«
Sie sprach, als sei das Ende ihrer Ehe bereits beschlossen. »Noch bin ich verheiratet, und Elvei ist kein herzloser Schuft. Schön, er hat mir nichts von seiner Erbfolge gesagt. Ein ziemlich bedauerliches Versehen, aber wir werden damit klarkommen. Mir ist bewusst, dass Liebe nicht über Nacht entsteht, aber ich glaube, ich bedeute ihm etwas, und er bedeutet mir sehr viel. Wir leben seit fast drei Jahren zusammen. Wir schlafen im selben Bett. Und bevor ich mich untersuchen ließ, hat er mir gesagt, dass er mich liebt.«
Lady Augustine sah sie aufmerksam
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