Seelentraeume
Adel, während meine Familie mit der Zweiten Flotte auf diesen Kontinent kam und schon damals adlig war.«
Die Dunkelheit in ihrem Innern bebte und bettelte darum, freigesetzt zu werden.
»Mein Vater ist ein Earl, meine Mutter war schon vor ihrer Verbindung Baronesse. Dein Vater ist Koch und deine Mutter Serviererin. In welcher Welt könntest du ernsthaft davon ausgehen, mir auf irgendeine Weise ebenbürtig zu sein? Ich habe dir einen Gefallen getan. Mein Antrag war eine Auszeichnung für dich, Charlotte, aber du hast es vermasselt. Finde dich damit ab. Ich denke, meine Entschuldigung genügt.«
Er hatte so tief in ihrer Wunde gebohrt, dass er damit an die Dunkelheit rührte, die sie in ihrem Innern barg. Ihre Dämme brachen. Schleichend bahnte sich die Dunkelheit ihren Weg und stülpte ihre Haut um wie eine Wendejacke. »Du hast recht. Du wirst dich hinsetzen und dich bei mir entschuldigen.« Die Drohung tränkte ihre Stimme wie Gift.
Er blickte sie an. »Du bist kaum in der Lage, mir Befehle zu erteilen.«
Ihre Magie entschlüpfte ihr, hüllte ihre Arme ein, wand sich in schwarzen, tiefrot hinterlegten Rinnsalen um ihren Körper. Sie hatte dieses Rot noch nie zuvor gesehen. Das blasse Gold des Heilens, ja, Hunderte Male schon, aber dieses düstere Schwarz und Rot? Nein. So also sieht die Magie eines Gräuels aus.
»Ich kann deine ganze Familie verderben, du Schwachkopf. Ich bin die Heilerin. Such dir eine Seuche aus, und es ist in diesem Moment vorbei mit deinen 16 Generationen.«
Elvei stand der Mund offen. »Das würdest du nicht wagen.«
Wie eine zubeißende Schlange entfuhr ihr die Magie und grub ihre Zähne in ihn. Elvei zuckte, seine Miene zeigte Verwirrung. Sie fühlte, wie ihre Magie ihn biss, sich in die Linie seines Halses bohrte, und sie spürte den Ansturm unerwarteter Befriedigung. Du lieber Himmel. Plötzlich durchzuckte sie Furcht. Sofort unterbrach sie den düsteren Strom, nahm ihre Macht in sich zurück. Sie hatte sie nur kosten, einen winzigen Bissen nehmen lassen, doch nun wollte sie mehr, Charlotte musste sich zusammenreißen, um sie in sich zu verschließen.
Elvei hustete immer heftiger, presste die Hand auf den Mund. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch, besudelte seine Haut mit hellem, heißem Scharlach.
Er wollte aufstehen, erstarrte aber auf halber Strecke.
Da erkannte er ihren Hass, und die Lust, die es ihr bereitete, ihm Schmerz zuzufügen. Macht durchfloss sie, grimmig und berauschend. Ihre Magie wollte mehr.
Nein, das konnte sie nicht zulassen.
»Setz dich!«
Er ließ sich auf den Stuhl fallen.
»Du kannst deine Annullierung haben«, sagte sie. »Allerdings hast du die ganze Zeit hier gelebt, und da du nicht mein Mann sein willst, werde ich dich zukünftig wie meinen Kostgänger behandeln. Du wirst mir die Miete, Verköstigung, Kleidung, Geschenke und die Dienste meiner Angestellten erstatten. Als du mich zum Schein geheiratet hast, hattest du nichts, und du wirst dich mit nichts wieder von mir trennen.«
Der Preis war gering, aber sie konnte ihn unmöglich einfach so davonkommen lassen. Ihr Zorn ließ es nicht zu. Sie musste für einen symbolischen Ausgleich sorgen. Tat sie es nicht, würde ihre Magie den Preis festsetzen.
»So viel Geld besitze ich nicht«, antwortete er.
»Deine Kalamitäten interessieren mich nicht«, sagte sie. »Ich habe dich all die Jahre unterstützt, und ich lasse mich nicht von dir ausnutzen. Ich werde meinen Anwalt bitten, eine Rechnung aufzustellen, die du vollständig begleichen wirst; wenn nicht, werde ich dich zwingen, dich in aller Öffentlichkeit bei mir zu entschuldigen.«
Alles Blut wich ihm aus dem Gesicht. »Du wirst dein Geld bekommen.«
»Überweise es der Stiftung Mutter der Morgenröte.« So würde das Geld kranken Kindern zugutekommen, und aus diesem Albtraum würde etwas Gutes erwachsen.
Ihre Magie flehte sie an, ihr einen weiteren kleinen Bissen zu gönnen. Charlotte ballte die Faust um ihre Macht und hielt sie so zurück. »Bitte um Entschuldigung dafür, ein herzloser Bastard gewesen zu sein.«
»Ich bitte … um Entschuldigung«, stammelte er mit stockender Stimme.
Charlotte konzentrierte sich. Magie hüllte ihren Arm in den leuchtenden Goldton des Heilens. »Gib mir deine Hand.«
Er streckte seine Hand mit zitternden Fingern über den Tisch. Charlotte kämpfte gegen ihren Widerwillen an und schloss ihre Finger um sein Handgelenk. Noch heute Morgen waren sie im selben Bett aufgewacht. Sie hatte dagelegen
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