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Seelenverkäufer

Seelenverkäufer

Titel: Seelenverkäufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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er mir fast auf die Hacken trat. Ich weiß nicht woher, aber ich hatte von vornherein etwas gegen diesen Menschen, vielleicht, weil er mich wie Luft behandelte, und dann auch, weil Mutter mich direkt vor ihm als Laufbursche empfohlen hatte. Ja, ich hatte die Nase von unserm Mieter schon voll, bevor er überhaupt eingezogen war. Aber Mutter war sehr froh: »Er macht einen ruhigen, gesetzten Eindruck«, sagte sie zu Vater, »und ab nächstem Ultimo will er dreißig Mark zahlen, wenn er mit dem Zimmer zufrieden ist.«
    Mein Vater nickte sparsam, nahm das Fünfmarkstück, warf es auf den steinernen Zählteller, um zu prüfen, ob es auch den richtigen Klang hatte, und legte es in die Ladenkasse ins Silberfach, wo es sich gegen die Markstücke richtig protzig ausnahm.

2

    Ich weiß nicht mehr, ob zwischen dem ersten Auftauchen von Herrn C. B. Johnen und dem ersten April vier, fünf oder sechs Tage verstrichen. Und obwohl er mir, wie schon gesagt, von vorneherein zuwider war, muß ich doch gestehen, daß er mich bis in meine Träume hinein beschäftigte. Ein neues Gesicht im Haus ist immerhin eine beunruhigende Sache.
    Auch Mutter war sehr aufgeregt. Jetzt, wo sie vor vollendeten Tatsachen stand, schien sie nicht recht zu wissen, ob sie sich freuen oder es bereuen sollte, das Zimmer vermietet zu haben. Gewiß, auf der einen Seite waren es fünfundzwanzig Mark im Monat mehr, auf der anderen aber gab es auch eine Menge Mehrarbeit für sie. Mit dem Haushalt und mit dem Aushilfsdienst im Laden hatte meine Mutter ohnehin schon alle Hände voll zu tun. Jedenfalls war sie in diesen Tagen in einer ewigen Hetze, und sie spannte auch mich tüchtig ein. Das rote Zimmer wurde nämlich generalgereinigt. Ich mußte den Boden abziehen, bohnern, Teppiche klopfen und die Möbel aufpolieren. Mutter wusch die Gardinen, schrubbte und putzte bis in die Nacht hinein, und Vater war wie gewöhnlich beim Großreinemachen in schlechter Laune. Und all das wegen dem neuen Mieter. Überhaupt sprachen wir sehr viel von ihm, ja eigentlich von nichts anderem.
    »Ingenieur«, sagte mein Vater, der auch schon anfing, den Kerl nicht leiden zu können, weil so viel Umstände um ihn gemacht wurden, »das heißt viel und nichts. Das ist dasselbe wie mit ’nem Direktor. Was ein richtiger Direktor ist, das ist der Leiter von einer höheren Schule. Die anderen nennen sich nur so. Und Ingenieur? Das kann auch einer sein, der Strippen für Türklingeln zieht.«
    »Aber unserer rechnet nur«, sagte Mutter.
    »Dann ist es ein richtiger Ingenieur«, meinte Vater, »denn die müssen was auf dem Kasten haben, wenn sie Brücken bauen oder Turbinen oder Dampfmaschinen.«
    Mutter war daraufhin sehr stolz und erzählte in der ganzen Nachbarschaft, daß wir einen richtigen studierten Ingenieur als möblierten Herrn bekämen, und sie trug mir auf, für ihn ein Türschild zu malen. Ich zeichnete also in Rundschrift ein Kärtchen: >C. B. Johnen — Ingenieur< und drückte es mit einem Reißstift draußen unter unserem Namensschild an den Haustürrahmen.
    So kam unter allerlei Vorbereitungen für den Einzug unseres Mieters der erste April heran. Die Eltern waren schon um sechs Uhr früh auf den Beinen und so aufgeregt, daß sie beide vergaßen, mich in den April zu schicken, was besonders Vater alljährlich mit so großem Geschick besorgte, daß ich jedes Mal darauf hereinfiel, obwohl ich mir schon drei Tage vorher schwor, dieses Mal höllisch aufzupassen. Ich hörte die Mutter in der Küche wirtschaften und den Vater im Flur herumschlurfen und brummen. Der Tag war regnerisch und düster. Ich lag noch eine Weile halb wach im Bett, bis sich der Hunger auf warmen Kaffee und so Stücker drei bis sechs Marmeladenbrote mächtig zu regen begann. Da stand ich also auf und zog mich an.
    Aber was soll ich lange erzählen, der Morgen verging, der Vormittag auch, und mittags war unser Mieter noch immer nicht da. Mutter wurde schon ganz nervös, der Vater spielte, sooft er die Kasse aufmachte, mit dem Fünfmarkstück, das Herr Johnen der Mutter als Anzahlung in die Hand gedrückt hatte, und so ging auch der Nachmittag herum. Es wurde Abend und dunkelte. Dann, als wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, einen Mieter fürs rote Zimmer zu bekommen, kam er endlich doch. Aber wie er kam, das ist eine Geschichte für sich.
    Nachdem ich Vater geholfen hatte, die Auslagen hereinzubringen und den Laden auszufegen, stellte ich mich wettergeschützt in die Haustür und wartete. Regenschauer und

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