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Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)

Titel: Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Krahlisch
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einfach nicht auf das konzentrieren, was auf den Buchseiten steht. Immer wieder fange ich von vorne an, immer wieder breche ich kurze Zeit später wieder ab. Dann schlage ich das Buch zu. Ich bin müde, ich lehne meinen Kopf an die kalte, vibrierende Fensterscheibe. Ich schließe die Augen, kann aber nicht schlafen. Ich mache die Augen wieder auf und sehe aus dem Fenster. Alles ist weiß. Es hat die ganze Nacht geschneit. Aber selbst über den Schnee kann ich mich nicht freuen. Ich habe genug vom Winter. Ich habe keine Lust mehr auf diese Kälte, ich habe die Nase voll von vereisten Fußwegen und dunklen Tagen. Dabei sieht es draußen wirklich schön aus. Die weißen Wälder, die weißen Felder und die einzelnen, eingeschneiten Häuser.
    Der Zug fährt jetzt so langsam, dass ich neben den Gleisen die Fährten von Tieren erkennen kann. Mein Blick folgt diesen Spuren. Vielleicht entdecke ich noch ein paar Rehe, denke ich. Auf dieser Strecke habe ich schon häufig Rehe gesehen, und auch Füchse konnte ich schon beobachten. Dank des Schnees sind die Tiere gut sichtbar. Plötzlich vibriert mein Telefon. Ich zucke zusammen. Einen Moment lang glaube ich, dass es Heribert ist, dass er mir sagen wird, wann er nach Hause kommt. Aber er ist es nicht. »Nummer unterdrückt« leuchtet auf dem Display. Ich hebe nicht ab und lasse es einfach klingeln.

    Ein paar Tage später ruft Heribert endlich an. »Gibt es etwas Neues?«, frage ich aufgeregt. Diese Frage stelle ich ihm schon seit Wochen immer als Erstes. Noch vor der Begrüßung. Das ist unhöflich, aber ich kann nicht anders. Ich bin im Büro. Der Handyempfang im Verlagshaus ist eine Katastrophe. Zum Telefonieren gehe ich ans Fenster.
    »Ja, sie haben gerade angerufen.«
    »Und?« Ich stütze mich mit den Ellbogen auf das Fensterbrett. Den Kopf strecke ich noch ein Stück weiter nach vorn zur Fensterscheibe.
    »Der neue Ablösetermin ist der 3. März.«
    »Wieso März? Es hieß doch Mitte oder Ende Februar.«
    »Ja, das stimmt. Aber jetzt heißt es März.«
    »Am 3. März ist also die Ablösung, okay. Aber wann bist du dann zu Hause?«
    »Wenn alles gutgeht, komme ich am vierten, spätestens am fünften.«
    Ich presse den Hörer an mein Ohr. Ich habe Angst, irgendetwas nicht zu verstehen. Dann denke ich an den Partytermin. Ich hatte Heriberts Freunden den 5. März als neuen Termin vorgeschlagen. War das realistisch?
    »Ist das sicher? Spätestens am fünften?«, frage ich deshalb nach.
    »Na ja, du weißt doch, dass es sich immer noch bis zur letzten Minute verzögern kann. Aber ich denke mal, das müsste klappen.«
    »Okay, dann trage ich mir gleich den vierten beziehungsweise den fünften im Kalender ein. Aber ich warne dich: Wenn du auch nur einen Tag später kommst, wechsle ich alle Schlösser aus.«
    »Du bist ja hart.«
    »Was heißt hier hart? Ich warte schon seit fünf Monaten auf dich. Ich kann einfach nicht mehr.«
    »Ach Nancy, es tut mir leid. Ich will doch auch nach Hause.«
    »Nur damit du dich darauf einstellen kannst: Diesmal werde ich es sein, die am Flughafen fremdelt. Wahrscheinlich erkenne ich dich gar nicht. Ich kann mich nämlich kaum noch daran erinnern, wie du ausgesehen hast«, sage ich sarkastisch. Heribert lacht.
    »Das glaube ich nicht«, antwortet er gelassen. »Wenn ich erst einmal vor dir stehe, mit der Ausstrahlung und dem Charme eines Kapitäns, wirst du mich sofort erkennen. Und mir zu Füßen liegen.« Jetzt lachen wir beide.

    Wieder schreibe ich Heriberts Freunden eine E-Mail. Ich berichte ihnen von dem Anruf. Ich werfe die Frage in die Runde, ob wir den 5. März als Partytermin lassen sollen oder nicht. »… einerseits ist es sehr heikel, weil bis zum Schluss immer noch etwas dazwischenkommen kann. Andererseits, wenn alles glattgeht, wäre es toll, weil es dann eine richtige Willkommensparty würde«, schreibe ich in meiner Mail. Heriberts Freunde sind dafür, bei diesem Termin zu bleiben. Sie sind optimistisch, und sie schreiben mir, dass doch auch ich etwas optimistischer sein solle.
    Von Tag zu Tag geht es mir wieder etwas besser. Ich freue mich auf Heribert. Ich kaufe immer mehr Sachen für ihn ein, und ich bastle seinen Urlaubsplan. Wenn ich an unser Wiedersehen denke, bin ich ganz aufgeregt. Ich freue mich auf unsere erste Umarmung. Auf den ersten Kuss. Und ich freue mich auf sein Gesicht, wenn er all seine Freunde sieht.

    Ein paar Tage vor seiner Heimkehr ruft Heribert mich noch einmal an. Es ist Sonntag, am Donnerstag soll er

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