Seemannsbraut: Eine 40000 Kilometer lange Liebesgeschichte (German Edition)
laut. Es soll nicht gleich jeder wissen. Ich weiß es auch erst seit ein paar Stunden.«
»Puh. Das nenne ich mal eine Überraschung. Freust du dich denn?«, frage ich und blicke noch immer fragend in ihr Gesicht.
Jetzt lächelt sie zum ersten Mal.
»Ja, schon. Der Zeitpunkt ist etwas ungünstig, wegen Südafrika. Aber den richtigen Zeitpunkt gibt es doch nie, oder?«
»Ja, das stimmt wahrscheinlich.«
»Und außerdem bin ich über dreißig. Worauf soll ich noch warten?«
»Ja, ja, du hast ja recht. Und was sagt Lukas?«
»Ach, der freut sich wie ein kleines Kind.«
»Mensch, Nici. Ich freu mich natürlich für euch. Aber ich bin auch traurig. Jetzt gehst du so weit weg, bekommst ein Baby, und ich bekomme gar nichts mit von alledem.«
»Nancy, du musst uns besuchen kommen. Versprich es!«
»Ja doch, ich verspreche es«, sage ich. Dann umarmen wir uns. Später trinken wir Apfelschorle aus Sektgläsern und stoßen gleich mehrfach an. Auf Südafrika, auf das Baby und auf die Zukunft. Von Heribert und seiner Verspätung erzähle ich nichts.
»Nancy? Hallo? Bist du zu Hause?« Der Anrufbeantworter ist angesprungen und nimmt alles auf, was Meike sagt. Das Telefon liegt auf meinem Nachtschrank. Gleich neben meinem Kopf. Ich liege noch im Bett, die Decke habe ich über das Gesicht gezogen. Ich will nicht telefonieren. Ich will einfach nur hier liegen und darauf warten, dass die Zeit vergeht. Am liebsten würde ich die nächsten Wochen durchschlafen. So lange, bis Heribert endlich nach Hause kommt.
»Vielleicht bist du gerade im Bad. Vielleicht bist du auch gar nicht zu Hause. Ich wollte mich nur mal kurz melden und fragen, wie es dir geht. Und dir ein schönes Wochenende wünschen. Wenn du magst: Ruf mich zurück. Ach ja, es ist jetzt kurz nach zehn. Tschühüüüss.« Dann legt sie auf.
Ich versuche, noch einmal einzuschlafen, doch es gelingt mir nicht. Ich habe die halbe Nacht wach gelegen. Und wenn ich dann doch einmal kurz eingeschlafen bin, habe ich schlecht geträumt. Bei jedem Aufwachen musste ich als Erstes an Heribert und seine Verspätung denken.
Ich müsste jetzt eigentlich aufstehen und eine E-Mail mit der Absage für die Party an Heriberts Freunde schreiben, denke ich. Aber ich kann nicht. Ich bleibe einfach liegen, zusammengerollt unter meiner warmen Bettdecke.
Irgendwann bekomme ich Hunger. Ich laufe barfuß in die Küche, mache mir ein Käsebrot und gehe wieder zurück ins Bett. Auf dem Weg dorthin hole ich mir meinen Laptop aus dem Arbeitszimmer.
Im Bett schreibe ich die Nachricht mit der Absage. Ich schreibe die Mail an alle Freunde auf einmal. Ich verzichte auf eine persönliche Anrede, ich habe keine Energie für individuelle Zeilen. Ich schreibe davon, dass Heribert doch noch nicht nach Hause kommt. Dass die Party damit ins Wasser fällt. Und ich entschuldige mich bei allen, die schon Flug- und Zugtickets gekauft oder ein Hotelzimmer reserviert haben. Als neuen Partytermin kündige ich den 5. März an. Das ist einerseits zwar heikel, weil niemand so genau weiß, wann Heribert zurückkommen wird. Aber ganz ohne Planung geht es nun mal nicht.
Auch an meinen Bruder schicke ich diese E-Mail. Erst vor ein paar Tagen hat Peter vorgeschlagen, eine seiner Bands auf der Willkommensparty spielen zu lassen. Ein paar Musiker aus London sind zufällig an dem Party-Wochenende in Berlin, weil sie ein Konzert geben. Peter wollte sie fragen, ob sie Lust hätten, auch am Sonnabend auf der Kapitänsparty Musik zu machen. Ich fand die Idee großartig. Jetzt kann ich nur hoffen, dass er sie noch nicht gefragt hat.
Ein paar Wochen später, am Tag des geplanten Partytermins, sitze ich im Zug und fahre zu meinen Eltern. Die Zeit seit Heriberts Anruf war schrecklich. Es geht mir nicht gut. Ich schlafe schlecht und habe keinen Appetit. Ich verabrede mich nicht mehr, antworte nicht auf E-Mails, und auch meinen Anrufbeantworter höre ich kaum noch ab. Sogar Heribert hat sich schon bei mir beschwert, weil ich mich kaum melde. Er hätte gern wenigstens hin und wieder eine SMS oder eine E-Mail. Angeblich stellt er jeden Tag mindestens zweimal den Satellitenschalter für den E-Mail-Empfang um. Doch sein Postfach bleibt leer.
Aber was soll ich ihm auch schreiben? Dass ich traurig bin? Dass es mir schlechtgeht, weil er nicht nach Hause kommt? Ich glaube, ich schreibe ihm auch deshalb nicht, weil ich sauer bin. Auf ihn, auf seine Berufswahl und auf seine Reederei.
Im Zug versuche ich zu lesen, aber ich kann mich
Weitere Kostenlose Bücher