Segel der Zeit
es nur dieser Fähigkeit, dass er noch am Leben war.
Kestrel trat hinter einem Pfeiler hervor und stand nun im Lampenlicht. »Majestät«, sagte er. »Ich bin zurückgekehrt. «
Sempeterna betrachtete ihn blinzelnd. »Ja, das ist wahr, Kestrel, das ist wahr. Gute Arbeit!«
»Wir haben wichtige Dinge zu besprechen.« Kestrel trat näher. Er hielt einen dicken Papierstapel in der Hand.
»Gütiger Himmel! Sie sind gerade einmal seit zehn Minuten ein freier Mann und kommen schon mit Papierkram zu mir?« Die ungläubige Miene des Piloten war fast schon komisch. »Könnten Sie sich nicht ein klein wenig über Ihre Errettung freuen, Kestrel? AuÃerdem habe auch ich meinen Sieg noch gar nicht ausgekostet. « Er lächelte Chaison zu. »Das gedenke ich jetzt zu tun.«
Er winkte mit gekrümmtem Finger, und ein Gardist zerrte Chaison zum Stehen hoch und brachte ihn zu Sempeterna an eines der riesigen Buntglasfenster, die den Empfangsraum einer Kathedrale gleichen lieÃen. Chaison war schon oft in diesem Raum gewesen, aber noch nie an dieser Stelle; in jedem anderen Reich hätte das erhöhte Podest einen Thron getragen, aber in Slipstream befanden sich Sofas, kleine Tische, Teppichbrücken und Topfpflanzen darauf. Slipstreams Pilot regierte nicht von einem Thron aus, sondern von einem Salon. Natürlich durfte auÃer ihm, seinen allgegenwärtigen Leibwächtern und ein paar vertrauenswürdigen Dienern niemand einen Fuà auf den dicken Spannteppich setzen, mit dem das Podest überzogen war, an sich erwies er Chaison damit, dass er ihn hier heraufbringen lieÃ, sogar eine groÃe Ehre.
Seine Schleppe hinter sich her ziehend, stolzierte er auf seinen einstigen Admiral zu. »Jetzt fällt Ihr kleines Komplott endlich doch auseinander«, schnurrte er. »⦠Nein, sagen Sie nichts!« Er hob die Hand. »Sie verderben mir den Triumph.«
»Es gab kein Komplott«, erklärte Chaison. »Und das wissen Sie genau.«
»Ach ja.« Der Pilot betrachtete seine Fingernägel. »Aber so ein vermeintliches Komplott ist doch sehr nützlich. Nun sehen Sie mich nicht so an; Mann! Das ist Politik, und es gibt gute Gründe, Sie in Ihr eigenes Schwert zu stürzen.« Er beugte sich herab, soweit sein Gewand es erlaubte, und sah Chaison in die Augen. Dann senkte er die Stimme fast bis zum Flüstern und sagte: »Ihre Handlungsweise war edel, und eines Tages sehe ich mich vielleicht sogar in der Lage, dies öffentlich
anzuerkennen. Wahrscheinlich ist das allerdings nicht bei der Geschichte, die ich erzählen, und dem Exempel, das ich an Ihnen statuieren muss. Indessen wissen wir beide, dass das öffentliche Wohl in einem solchen Fall wichtiger ist als die Wahrheit, nicht wahr? Oder etwa nicht? Chaison, sehen Sie mir in die Augen, und erklären Sie mir, dass es wichtiger ist, Ihre Unschuld zu beweisen, als diesem Aufstand ein Ende zu bereiten und weiteres BlutvergieÃen zu verhindern. «
Chaison verschlug es die Sprache. Er wollte sagen: »Wir können doch beides tun«, aber Sempeterna hatte sich schon wieder aufgerichtet und lachte. »Da bin ich aber erleichtert! Ich hatte mir tatsächlich ein klein wenig Sorgen gemacht, Fanning. Ihre Anhänger waren so ⦠fanatisch.«
Zum ersten Mal schien er Gonlin und seine Gruppe wahrzunehmen. »Sind das die braven Leute, die uns den Admiral gebracht haben?« Jemand nickte. Der Pilot ging auf Gonlin zu und schüttelte ihm die Hand. »Ich und Slipstream werden Ihnen ewig dankbar sein«, erklärte er ernst. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Gonlin Mak vom Heimatschutz Virga.«
Der Pilot lieà seine Hand los und trat sichtlich überrascht zurück. »Soso! Der Heimatschutz glaubte also eingreifen zu müssen? Eine wahrhaft weise Entscheidung. Fürchteten Sie, Slipstream könnte der Anarchie anheimfallen? Oder war es â¦Â« Wieder richtete er den Blick zur Decke und zog die Augenbrauen hoch. Ihm war ein Licht aufgegangen. »Hat Fanning etwa gemeinsame Sache mit den Monstern gemacht? Gehört die Kreatur auf meinem Palast zu ihm?«
»Genau so ist es, Majestät«, versicherte Gonlin und nickte.
»Ja, das hatte ich mir gedacht«, sagte Sempeterna. »Und Sie sind sicherlich hier, um das Monster zu beseitigen? «
»Es könnte sein ⦠dass wir dazu Ihre Hilfe brauchen«, gestand Gonlin.
Chaison
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