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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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er seinen langen Orbit um Candesce bereits in einer ungünstigen Spirale ab, auf der er sich bei jeder Runde langsam etwas weiter nach draußen und nach drinnen schiebt. In der Einwärtsphase war er Candesce immer näher gekommen, und wenn er nach außen flog, der Außenhaut der Welt. Wir hatten Angst, dass er mit der Ersten Sonne kollidieren könnte – doch als der Tag kam, setzte sich Candesce in Bewegung und trippelte mit zierlichen Schritten aus seiner Bahn.«
    Er lachte, als er Chaisons Gesichtsausdruck sah. »Davon haben Sie nie etwas gehört, nicht wahr? Das liegt daran, dass die Erste Sonne das Manöver bei Nacht durchführte. Sobald Ogils vorbeigeschlendert war, kehrte Candesce an ihren alten Platz zurück und schaltete sich am nächsten Morgen an, ohne dass jemand etwas bemerkt hätte. – Nun ja, der riesige Schatten, den Ogils über die ganze Welt warf, hatte die Seiten gewechselt, aber kaum jemand verstand das zu deuten. Die Prinzipalitäten begriffen nur, dass sie gerettet waren. Und wir«, er feixte, »wiegten sie in dem Glauben, das sei unser Verdienst.«
    Ogils hatte sich durch die dicht gedrängten Prinzipalitäten geschoben, und dort bearbeitete man den vorbeiziehenden Asteroiden mit Hacke und Meißel, um möglichst viel Gestein und Eisen zu ernten. Sobald er abgezogen war, wurde er vergessen.
    Â»Wir jedoch beobachteten ihn weiter. Nachdem Ogils das Zentrum unserer Welt durchquert hatte, musste er
sie nun für immer verlassen. Sobald er Virgas Außenhaut erreichte, würde er geradewegs weiterfliegen – und das bedeutete, er würde ein knapp zwei Kilometer großes Loch in die Hülle reißen.
    Der Heimatschutz versammelte sich. Wir waren ratlos. Wir hatten mit unseren Bikes und den Delfinen die von Eisbergen bedeckte Außenhaut unserer Welt abgeflogen, die bizarre Landschaft immer im Blick, um die Orientierung nicht zu verlieren, jämmerlich fröstelnd in der schrecklichen Kälte, die von außen aus dem Weltraum dringt. Nach wochenlangen mehr oder weniger hitzigen Auseinandersetzungen darüber, wie man die Auswirkungen eines zwei Kilometer großen Lochs ins Vakuum möglichst gering halten könnte, hatten wir einen notdürftigen Plan zusammengebastelt. Wir wollten versuchen, Ogils abzulenken, indem wir Eisberge von der Außenhaut ablösten und sie in seine Flugbahn schleppten. Doch man stelle sich unsere Überraschung vor, als uns knapp zweihundert Kilometer vor der Stelle, wo Ogils auf die Hülle treffen sollte, die Berge ausgingen!«
    Chaison legte den Kopf schief und beschwor im Geiste das Bild der schier endlosen Ebene herauf, auf der sich Millionen runder und spitzer weißer Gebilde im Dunkeln drängten. Er hatte sie gesehen, als er mit seinem eigenen Schiff, der Krähe , Virgas Außenhülle angeflogen hatte. Die Berge hatten so dicht beieinander gestanden, dass von dem Untergrund, an dem sie hafteten, nichts mehr zu sehen war.
    Â»An einer langen Linie – ähnlich der mythischen ›Küste‹ eines planetaren Ozeans – hörten die Eisberge einfach auf«, fuhr Ergez fort. »Wir flogen bis an die
schwarze Innenseite der Hülle heran. Sie schillerte wie glatte Holzkohle. Ich berührte sie sogar, und sie war kühl – aber nicht kalt.
    Niemand wusste, was das zu bedeuten hatte, aber wir hatten darauf gebaut, dass wir vor Ort genügend Eisberge würden finden können. Und während wir hilflos auf Erleuchtung warteten, begegnete ich Antaea.
    Wir hatten Anweisung, uns von der Bruchstelle fernzuhalten, da dort mit einem starken Sog zu rechnen wäre. Wenn Ogils die Haut durchstieß, würde ein Hurrikan entstehen, der alles ins All riss und Virga unerbittlich die Luft entzog, auch wenn dieser Vorgang Jahrhunderte dauern konnte. Doch als der Asteroid näher kam, hatte sich ein kalter Nebel gebildet, der uns bald jede Sicht nahm. Sobald feststand, dass wir zu weit entfernt waren, um das Geschehen zu beobachten, verlangte Antaea neue Anweisungen. Der Befehl lautete : Stellung halten.
    Ich habe immer noch Antaeas Stimme im Ohr«, fuhr Ergez fort. »Sie sagte: ›Scheiß drauf, ich gehe rein.‹ Sie streckte mir die Hand entgegen. ›Kommst du mit?‹«
    Â»Und was haben Sie getan?«, fragte Chaison und warf einen Blick durch den Garten. Es fielen keine Wasserkugeln mehr; merkwürdig war nur, dass Antaea sich während des

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