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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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ganzen Aufruhrs nicht hatte blicken lassen.
    Â»Ich war einverstanden.« Ergez zuckte unter Schmerzen die Achseln. »Ich stieg mit auf ihr Bike. Wir schlitterten an Ogils zerschrammter schwarzer Flanke entlang, als der Asteroid die ebenso schwarze Mauer erreichte, die Luft und Leben vom Vakuum und dem
absoluten Nullpunkt trennte. Und Antaea – der Teufel soll sie holen – flog uns geradewegs zum Auftreffpunkt.
    Und dann passierte Folgendes.« Er hob die Hände und zeichnete in die Luft. »Virgas Hülle dehnte sich und dehnte sich immer weiter. Mächtige Schwingungen, beinahe schon Töne, erschütterten die Luft. Und dann riss die Haut. Es klang wie der lauteste Gewehrschuss, den man sich vorstellen kann, ein scharfer Knall, der uns erschreckte, obwohl wir darauf gefasst waren.
    Ogils war entzweigebrochen, aber seine Masse war so gewaltig, dass er einfach weiterflog. Seine schwarze Hülle löste sich ab und zerfiel zu Steinen und Felsbrocken, die in einer Wolke hinter ihm wegflogen. Der Asteroid bewegte sich so langsam, dass mehrere Minuten vergingen, doch dann war er durch.«
    Er sprach nicht weiter.
    Â»Und?«, fragte Chaison. »Was geschah dann?«
    Â»Nichts.
    Vor uns klaffte ein riesiges Loch, dreihundert Meter groß und nach außen gewölbt, und dahinter herrschte tiefe Finsternis. Und wir spürten lediglich einen schwachen Luftzug, wo wir einen Hurrikan erwartet hatten.« Ergez schüttelte wehmütig den Kopf. »Wir sahen uns nur an. Dann sagte Antaea: ›Das muss ich sehen‹, und flog auf das Loch zu.«
    Er lachte. »Ich bin abgesprungen! Während ich durch die Luft trudelte und darauf wartete, dass die Delfine mich auffischten, verschwand ihr Bike in der schwarzen Höhle und tauchte wenige Minuten später wieder auf. Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. ›Was hast du gesehen?‹, fragten wir.

    â€ºNichts‹, antwortete sie, ݟberhaupt nichts, so weit das Auge reicht.‹«
    Â»Das ist seltsam«, sagte Chaison. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Ergez lachte abermals.
    Â»Richtig, und ich weiß bis heute nicht, was ich davon zu halten habe. Der Heimatschutz betraute Antaeas Vorgesetzten Gonlin mit der Untersuchung, aber ich habe die Ergebnisse nicht mehr erfahren, bevor ich diese Aufgabe übernahm. Und heutzutage sagt man mir gar nichts mehr.«
    Wieder dachte Chaison an seinen kurzen Besuch an der Außenhülle der Welt: In seiner Erinnerung dominierte eine surreale Eiswand, die von Explosionsblitzen und grünen Leuchtraketen erhellt wurde. Sein Expeditionstrupp hatte dort gegen Piraten gekämpft und war kreuz und quer durch Wolken und Finsternis geflogen. Nur Veneras Chauffeur Hayden Griffin war der Hülle nahe gekommen. Er hatte die schmalen Hälse gesprengt, die die riesigen Zapfen an der Decke hielten, und so den arroganten Piraten nach und nach einen Regen von Eisbergen in den Weg geworfen und mindestens zwei ihrer Schiffe zerstört.
    Seltsam: Er hatte in den vergangenen Monaten so oft über diese Schlacht nachgedacht, aber erst jetzt erkannte er, was sich daraus für eine aufregende Geschichte machen ließe. »Heißt das nun«, fragte er Ergez, »dass Sie dem Heimatschutz nicht mehr angehören? Haben Sie abgemustert?«
    Ergez schüttelte den Kopf. »Wer einmal eintritt, bleibt sein Leben lang dabei. Aber man ist nicht immer aktiv.«
    Â»Und wie macht man das? In den Heimatschutz einzutreten, meine ich?«

    Â»Es gibt keine Rekrutierungsstellen, wenn Sie das meinen«, antwortete Ergez. »Einige von unseren Mitgliedern sind Verbannte, andere gehören zu diesen unersättlich Neugierigen, die Virga ganz verlassen hatten, aber sich dann zur Rückkehr entschlossen. Nach allem, was sie in den Weiten des Universums erlebt haben, fällt es ihnen schwer, sich hier wieder einzugewöhnen. Wenn ihnen Gerüchte über uns zu Ohren kommen, scheuen manche von ihnen keine Mühe, um uns zu finden. Wieder andere werden von Angehörigen des Heimatschutzes aus großer Not gerettet und eingeladen, sich uns anzuschließen.« Er warf Chaison einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Glaubte Ergez etwa, dass Antaea Chaison und seine Männer anwerben wollte? Vielleicht sollte man ihn in diesem Irrtum bestärken. Ergez hatte Chaison erklärt, er habe mit Antaeas Auftrag nichts zu tun, aber es hatte immer mehr den Anschein, als wüsste er gar nicht, worin er

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