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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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ob Sie vor zwanzig Jahren abgemustert haben, kümmert mich nicht. Die Stadt
braucht Sie. Sind höhere Offiziere in der Menge? Vielleicht ein General aus dem letzten Krieg? Dann bitte ich Sie jetzt zu mir.«
    Antaea wusste genau, was nun kam. Sie würde ihren Admiral an diesen Mann verlieren. Wenn sich Chaison erst mit Corbus und seinen Leuten zusammengetan hatte, würde sie nie mehr an ihn herankommen. Sie müsste mit leeren Händen zu Gonlin zurückkehren, und ihre Schwester …
    Sie setzte beide Füße auf das Seil, orientierte sich und stieß sich dann mit aller Kraft ab. Sekunden später drehte sie sich, entfaltete ihre Flügel und landete dicht vor Corbus.
    Der blinzelte sie überrascht an. Aus der Nähe erschien er ihr ziemlich grotesk; alles an ihm wirkte gestaucht und komprimiert von den Kräften seiner Vergangenheit. »Wer sind Sie?«, fragte er so leise, dass die Menge es nicht hören konnte.
    Â»Heimatschutz«, antwortete sie. Sein Fleischberg von einem Gesicht spaltete sich zu einem Grinsen, und er deutete auf die Arena voller Menschen. Antaea drehte sich um und entdeckte Chaison; er schwebte keine drei Meter von ihr entfernt in der Luft. Sein Gesichtsausdruck, als er sah, dass sie Corbus vor ihm erreicht hatte, war unbezahlbar.
    Antaea wandte sich der Menge zu. »Ich heiße Antaea Argyre. Ich bin Offizier beim Heimatschutz Virga!« Ein Raunen ging durch die Menge. »Jawohl!«, lachte sie. »Wir existieren. Und ich bin hier, um Ihnen zu helfen!«
    Dann landete Chaison und stellte sich Corbus vor. Auch andere kamen jetzt angeschwebt, zumeist ältere Männer, die einmal Führungspositionen innegehabt
haben mochten, aber schon vor Jahren hierher in die Vergnügungsstadt der Falkenformation gezogen waren.
    Chaison warf Antaea einen unergründlichen Blick zu, bevor er sich seinerseits an die Menge wandte. »Ich bin Admiral Chaison Fanning von der Slipstream-Flotte! «, rief er mit befehlsgewohnter Stimme. »Ich war zu Besuch in Ihrer Stadt, als dies alles passierte. Ich … kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie gegen die Flotte der Gretel kämpfen können, ohne Ihre Bevölkerung in Mitleidenschaft zu ziehen, oder dass Sie Ihre Stadt retten können, ohne sich selbst zu opfern. Aber ich finde, Sie sollten es versuchen.
    Ich stelle Ihnen meine Fähigkeiten und meine Erfahrung als militärischer Befehlshaber zur Verfügung – wenn Sie sie haben wollen.«
    Die Menge brach in stürmischen Jubel aus.
    Während sich weitere Neuankömmlinge der Menge präsentierten, zog Antaea sich Hand über Hand zu Corbus hinüber, und Chaison näherte sich ihm von der anderen Seite. Der einstige Kraftmensch – inzwischen Verteidiger von Stonecloud, den man in ein bis zwei Stunden sicherlich zum Bürgermeister der Stadt krönen würde – schaute mit ehrfürchtigem Blick über die Menge. »Jetzt«, sagte er endlich, »brauchen wir nur noch einen Plan.«
    Chaison lächelte. »Den«, rief er über das Johlen der tobenden Menge hinweg, »können Sie getrost mir überlassen. «

10
    Antaea Argyre packte Chaison am Arm. »Verdammt, was fällt dir eigentlich ein?« Sie sah wütend aus, und das war wohl, dachte er, nur allzu verständlich. »Du wirst dabei umkommen, oder wolltest du etwa immer schon aus dem Falkengefängnis in eine Gretel-Anstalt verlegt werden?«
    Die Kundgebung in der Arena ging weiter, aber Corbus hatte die Leitung einigen bekannten Geschäftsleuten der Stadt übertragen. Offenbar sollte sich die Menge so lange langweilen, bis sie sich beruhigte und abzog. Er selbst stellte währenddessen hinter der Bühne sein Team zusammen.
    Â»Hinter der Bühne« war eine Serie von Holzkugeln innerhalb der großen Kugel aus Korbgeflecht. Die Kugel in der Mitte war mit schwerem Gusseisen verkleidet, und an ihrer Außenseite hingen große Dampfmaschinen, von denen lange Antriebswellen nach draußen führten. Damit ließ sich die äußere Kugel während der Aufführung in Rotation versetzen. Corbus hockte an der Seite einer anderen Kugel und redete pausenlos auf die Leute ein, die sich um ihn geschart hatten. Er wirkte wie im Fieber, Schweißtropfen standen ihm auf der braunen Stirn, die Augen waren weit aufgerissen und starrten ins Nichts, und er fuhr sich immer wieder mit
der Zunge über die Lippen. Doch was er sagte, klang durchaus

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