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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Rettung zu verdanken.«
    Antaea glaubte, nicht recht zu hören. Warum erzählte er ihr das?
    Sie dachte über seine letzten Worte nach. »Darius und Richard hatten nicht mit einer Rettung gerechnet«, sagte sie. »Und Chaison auch nicht.« Kestrel nickte, erwartete aber offenbar noch mehr. Dann ging ihr ein Licht auf. »Nein!«, sagte sie. »Ich habe nie für die Rebellen in der Admiralität gearbeitet. Ich gehöre wirklich zum Heimatschutz. Ich hatte meine eigenen Gründe, ihn zu befreien.«
    Allerdings hatte eben nicht sie Chaison befreit. Das hatte jemand anderer getan, und sie wusste nicht, wer. Sie war frustriert um den Komplex herumgeschlichen und hatte keinen Weg gefunden, den Admiral herauszuholen, und dann war er ihr einfach in den Schoß gefallen. Sie hatte keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken,
wem er seine Freiheit tatsächlich verdankte; und wenn er sie für seine Retterin hielt, war das nur zu ihrem Vorteil.
    Jetzt fragte sie sich, ob nicht die Admiralität das Gefängnis zerstört hatte. Das konnte sie auch Kestrel sagen – aber er nickte bereits, als hätte sie damit nur seinen Verdacht bestätigt. Sehr glücklich sah er dabei freilich nicht aus.
    Sie hatte die Ungewissheit satt. »Was hat das alles zu bedeuten?«
    Er öffnete die Mappe. Mehrere Schwarz-Weiß-Fotos schwebten heraus. Antaea nahm eines davon und hielt es in das schräg einfallende Licht der Stadt.
    Das Bild war weitgehend verschwommen, im Weißbereich überbelichtet und ansonsten völlig schwarz, aber sie unterschied ein graues Oval, das ein Schiff sein mochte, und einen Schwarm von kleinen Punkten vor einer Wolkenlandschaft. Sie äußerte sich nicht dazu, drehte das Foto nur um und sah Kestrel fragend an.
    Â»Die hat mir die Admiralität gegeben. Ich soll sie dem Piloten bringen«, erklärte er. »Die Abzüge wurden auf dem Papier der Trennung gemacht , und so gerne ich ihre Authentizität anzweifeln würde … Manche Details …« Er sah, dass sie immer noch nicht verstand, und erklärte: »Diese Fotos wurden mit der Gefechtskamera der Trennung aufgenommen. Die Qualität ist schlecht, weil sie inmitten von Wolken und beim Licht von Signalfackeln gemacht wurden. Sie stammen aus der Schlacht gegen die Flotte der Falken.«
    Sie nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, und er blätterte die Mappe weiter durch. »Ich soll dem Piloten von der Admiralität bestellen, dass man einige
dieser Bilder auf Flugblätter drucken wird, wenn er nicht nachgibt. Bilder wie … das hier.« Er drehte das kleine Quadrat so, dass das Licht darauf fiel.
    Antaea stockte der Atem. Es war eine grauenhafte Szene. Hunderte von Menschen stürzten ins Nichts. Am Rand des Bildes waren nur verschwommene Flecken zu erkennen, aber zur Mitte hin war alles scharf: verzweifelt ausgestreckte Arme und Beine, da und dort Schwingen oder Flossen, aber meistens schwere Kisten und Gewehre, die krampfhaft festgehalten wurden. Ringsum schwebten Helme, Feldflaschen, Schuhe und undefinierbare Trümmer durch die Luft.
    Wieder beugte Kestrel sich zu ihr. »Chaison sagte …« Sie blickte auf. Sein Gesicht war verzerrt. »Chaison sagte, die Truppentransporter der Falken seien voller Menschen gewesen. Es habe sich nicht um ein Manöver gehandelt. War das …«
    Â»Ob es die Wahrheit war?« Sie gab ihm das Bild zurück. »Kestrel, das kann ich Ihnen nicht mit Sicherheit sagen. Ich war nicht dabei. Aber ich kann Ihnen bestätigen, dass er weder von der Trennung noch von der Krise in der Admiralität wusste, bevor Sie davon sprachen.«
    Kestrel holte tief Luft. Dann schob er die Fotos in die Mappe zurück und richtete sich auf. Als er zu lange schwieg, beugte Antaea sich zu ihm. »Was wollen Sie jetzt tun?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Antaea runzelte die Stirn. Für den Rest des Fluges vermieden sie es beide, einander in die Augen zu sehen.
    Â 
    Â»Dass es so weit kommen musste«, murmelte Martin Shambles, als er durch den Korridor zu seiner Werkstatt
schlurfte. »Für den Feind zu arbeiten … Freunde zu verraten …«
    Draußen zwischen den Häusern neben seinem Laden führten Offiziere der Palastwache den Gefangenenaustausch durch, den Shambles ausgehandelt hatte. Er hatte ihnen Antaea Argyre überlassen, damit sie sie zum Piloten bringen konnten, und diese Tat lag ihm schwer im Magen. Er

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