Sehnsucht der Dunkelheit (German Edition)
ihr zu wie wild, feuert sie an und bewirft sie mit farbigen Halsketten. Sie hält die Ränder des Oberteils zusammen, beugt den Oberkörper vor, sodass die Männer kurz davorstehen, endgültig den Verstand zu verlieren. Als ihr Gejohle ein ohrenbetäubendes Niveau erreicht, stellt sie mit gestrafften Schultern und erhobenem Kinn stolz ihre Brüste zur Schau.
Malkom saß mit einem Schlag aufrecht auf seiner Pritsche, schon beim Erwachen einem neuerlichen Wutanfall nahe. Wie konnte sie nur zulassen, dass diese Männer ihren Körper derart anstarren? Warum heizte sie ihr Verlangen in diesem Maße an?
Genau wie sie es bei ihm getan hatte!
Er erhob sich und lief in seiner Zelle auf und ab. Wieder eine neue Erinnerung der Hexe. Auch wenn er sie inzwischen jedes Mal sah, wenn er schlief, waren ganze Szenen wie diese selten – aber doch immer ähnlich: matt erleuchtete Gebäude, Lärm, und sie volltrunken im Mittelpunkt.
Meistens waren es nur Eindrücke, geflüsterte Worte, die ihm durch den Kopf gingen. Die Hexe hatte innerlich immerzu die Worte Denk an Ruby wiederholt, während sie eine starke Sehnsucht empfunden hatte. Was sollte das heißen? Wonach sehnte sie sich so schrecklich? Meinte sie einen Rubin? Einen Stein?
Er wollte es unbedingt wissen, um es ihr dann wegnehmen zu können, als Teil seiner Rache.
»Wieder mal schlecht geträumt, Vämon?«, fragte der fremde Mann. »Das ist eines der Risiken, wenn man Blut trinkt.«
Vor einigen Tagen hatte Malkom herausgefunden, dass diese Stimme zu dem Wesen in der Zelle schräg gegenüber gehörte: ein Vampir namens Lothaire, mit hellroten Augen. Das bedeutete, er war ein Gefallener – einer der wahnsinnigen Vampire der Horde.
Wie auch der Vizekönig und sein früherer Herr.
Malkom hatte diesen Vampir auf der Stelle ermorden wollen und war mit dem Kopf gegen das Glas gerannt, ohne daran zu denken, dass man ihm die Hörner abgeschnitten hatte. Das Blut war ihm übers Gesicht gelaufen. Egal. Er hatte sich immer wieder gegen das Glas geworfen, bis die Sterblichen ihn wieder mit Beruhigungsmitteln außer Gefecht gesetzt hatten.
Sobald Malkom wieder aufgewacht war, hatte Lothaire sich über ihn lustig gemacht. »Du Narr. Du schläfst viel zu viel für jemanden, der noch so viel lernen muss.«
Dann hatte das Ganze wieder von vorn begonnen.
Doch bald hatte Malkom eingesehen, dass der Vampir recht hatte. Er musste in der Tat noch viel lernen. Er musste einen Weg finden, um die Hexe zu erreichen und mit ihr zu fliehen. Vor allem musste er Anglisch genauso gut sprechen lernen, wie er es verstand, und sich die Sprache noch viel schneller ins Gedächtnis zurückrufen.
Darum hörte er auf zu kämpfen und fing an, seine Zellennachbarn zu belauschen und seine Umgebung zu beobachten. Manchmal konnte er die Stimme der Hexe ausmachen. Sie befand sich eindeutig im selben Gebäude.
So nahe … Sie hatte ihn von ihrem Körper kosten lassen, von ihrem Blut, und er brauchte mehr – auch wenn er sie hasste. Während er bereit gewesen war, sein Leben für sie hinzugeben, und sich seinem schlimmsten Feind ausgeliefert hatte, hatte sie eiskalt seinen Untergang geplant.
»Wovon hast du diesmal geträumt?«, erkundigte sich Lothaire.
Malkom lief vor der Glaswand auf und ab. Inzwischen war sein Körper vollkommen geheilt, und er sehnte sich verzweifelt danach, mit diesem Vampir zu kämpfen, mit irgendeinem Vampir. Er sehnte sich nach Freiheit.
Lothaire seufzte. »Und du willst mich immer noch töten? Dabei weiß ich doch, was du bist – und wo du andere von deiner Art finden kannst.«
Andere seiner Art? Wie viele gab es denn genau? »Was willst du von mir, Blutsauger?« Malkoms Worte kamen zwar stockend, aber er hatte beinahe wieder sein volles Sprachvermögen zurückerlangt. Als sich Carrows Erinnerungen mit seinen eigenen vermischten, war dies der Schlüssel zum Anglischen gewesen.
»Du nennst mich Blutsauger, nachdem du gerade erst aus einem Traum voller Blutgier erwacht bist? Du bist genauso sehr ein Vampir wie ich.«
»Ich bin kein Vampir«, entgegnete Malkom heiser, während vor seinem inneren Auge ein Bild auftauchte: die Brust der Hexe, von seinen Fängen durchstoßen, die dunkelroten Tropfen … »Ich habe mein Leben damit verbracht, deinesgleichen zu töten.«
»Dein altes Leben vielleicht. Aber dies ist eine neue Existenz für dich. Und du brauchst Informationen, um zu überleben.«
»Informationen, die nur du mir geben kannst?«, fragte Malkom höhnisch.
»Genau. Im
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