Sehnsucht der Dunkelheit (German Edition)
beiden Ruby fasziniert und neigten die Köpfe, als ob an dem Mädchen irgendetwas wäre, das sie nicht so recht einzuordnen wussten.
»Du warst ziemlich hart zu ihr«, murmelte Lanthe.
»Spürst du denn nicht die Anspannung?«, flüsterte Carrow zurück.
»Die geht von dir aus.«
»Du bist doch diejenige, die mir gesagt hat, ich müsse strenger mit ihr sein.«
»Particle Man, Particle Man … «
Carrow sprang auf die Füße. »Ruby, verdammt noch mal!«
Lanthe zerrte sie auf die andere Seite der Zelle. »Bei den Göttern, Carrow«, murmelte sie. »Warum schreist du nicht gleich: ›Mami hat Kopfschmerzen! Hol Mami einen Scotch‹?«
»Versteckt die Kleiderbügel aus Draht«, rief Ember.
»Warum das denn?«, fragte Ruby.
Portia tätschelte ihren Kopf. »Mögest du das nie herausfinden.«
»Ich hab ihr gesagt, sie soll nicht singen, aber sie macht es trotzdem.« Carrow spähte hinter Lanthe hervor und warf Ruby einen strafenden Blick zu. »Nur um mich zu ärgern.«
»Aber natürlich, das ist der Grund«, sagte Lanthe. »Es kann ja nichts damit zu tun haben, dass sie sieben ist und keinerlei Spielzeug hat oder sonst was, womit sie sich beschäftigen kann. Denk doch mal drüber nach! Der Höhepunkt des Tages ist, wenn sie ihre Opfer an unserer Zelle vorbeizerren.«
Vorhin hatte es wieder einmal Regin getroffen. Als die Wachen die Walküre an Carrows Zelle vorbeigeschleppt hatten, hatte ihre normalerweise strahlende Haut gespenstisch ausgesehen und aus ihrem Mund war Blut geströmt.
»Carrow … bist du das?« Sie hatte gehustet und dabei Blutströpfchen verspritzt. »Kann nicht sehen.«
Carrow war an die Glasscheibe gestürzt, während sie Lanthe signalisierte, sie möge Ruby die Augen zuhalten.
»Ich bin hier«, hatte sie gesagt. Dann war Carrow erschauert, als sie sah, dass Klammern eine V-förmige Wunde zusammenhielten, die sich von Regins Schlüsselbein bis zu ihrem Magen erstreckte. Vivisektion .
»Bring ihn um, Hexe!« Regins Stimme hatte wie die einer Wahnsinnigen geklungen. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren blindlings umhergewandert, während Tränen aus ihnen herausströmten. »Verfluche Chase. Er hat dies befohlen.« Nie zuvor habe ich die furchtlose Regin weinen gesehen. »Er ist Aidan der Grimmige. Sag das meinen Schwestern.«
»Aidan der Berserker?« Carrow hatte Regin schon von ihm reden gehört.
»Aidan der Verräter«, hatte sie gekreischt, während die Wachen sie weiterzerrten. »Aidan der Schänder!« An die Wachen gewandt hatte sie weiter gewütet: »Ihr Narren! Ihr folgt einem von uns! Ihr befolgt Befehle von einem von uns … «
Vor vielen Jahrhunderten hatte sich Aidan, einer von Odins Berserkerkriegern, in Regin, eine von Odins geliebten Töchtern, verliebt. Aidan war umgekommen, doch er war mehrfach wiedergeboren worden, um in jedem seiner Leben nach Regin zu suchen.
Könnte Chase wirklich Aidan sein? Und wie kam Regin auf die Idee, dass Carrow eher in der Lage sein würde zu fliehen als sie selbst?
Carrow seufzte. »Du hast recht, Lanthe. Ich steh wohl kurz davor durchzudrehen.« Sie kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel und senkte die Stimme. »Aber hier sitzt ein Mann im selben Gebäude, der vorhat, mich zu ermorden!«
Lanthe schnaubte verächtlich. »Ach, und was ist mit mir?«
»Eines Tages musst du mir mal erzählen, was zwischen dir und Thronos vorgefallen ist.«
»Vor gefallen ? Wie treffend formuliert«, sagte sie kryptisch. Aber noch ehe Carrow nachfragen konnte, fuhr Lanthe fort. »Diese Geschichte erzähle ich dir ein andermal. Im Augenblick sprechen wir von deinem grauenhaften Tod. Und wo wir gerade von deinem Dämon reden – sie haben vor, ihn rauszuholen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Sieh nur: Sie haben die Anzahl der Wachen verdoppelt und marschieren auf das andere Ende der Abteilung zu. Das bedeutet also entweder Slaine oder Lothaire.«
Bitte lass es Lothaire sein.
Carrow schnippte mit den Fingern nach Ruby. »Verschwinde hinter den Wandschirm.«
»Aber Crow, ich will sehen … «
»Sofort!«
29
Die Hexe befindet sich in einem dunklen Gebäude, das von Schreien und flackernden Lichtexplosionen erfüllt ist. Sie trägt hautenge Lederhosen und ein knappes Hemd, und sie tanzt zusammen mit einer rothaarigen Freundin auf anzügliche Weise auf einem Tisch. Die beiden reizen Dutzende von Männern.
Von Branntwein betrunken, öffnet Carrow gemächlich ihr Oberteil. Erst einen Knopf, dann den nächsten. Die Menschenmenge jubelt
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