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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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können, doch jetzt mußte die Wahrheit ans Licht. Je mehr er ihr erzählte, desto begreiflicher wurden ihr seine Wut und seine nur zu berechtigten Befürchtungen.
    »Was hat euch der Anwalt geraten?«
    »Wir sollen so tun, als wäre nichts. Und alles weitere einfach abwarten. Das Beste wäre natürlich, wenn Dwayne mit einem stichfesten Alibi aufwarten könnte. Das Schlimme ist nur, er zweifelt allmählich vor lauter Angst an sich selbst. Er hält einen Filmriß für möglich. Und in der Zeit hätte er…«
    »Um Gottes Willen, Tucker, du glaubst doch nicht…«
    »Ich glaube es nicht!« rief er in kaum noch verhülltem Zorn.
    »Dwayne ist doch harmlos wie ein kleines Baby! Er fängt zwar im Rausch gern an zu stänkern, aber wenn er jemandem weh tut, dann höchstens sich selbst. Überleg dir doch nur, wie die vier Morde verübt wurden! Okay, dahinter steckte eine Art primitive Wut, aber sie waren bis ins Letzte ausgetüftelt. Einer, der voll ist wie eine Haubitze, wäre dazu nicht in der Lage.«
    »Mich brauchst du davon nicht zu überzeugen, Tucker«, sagte Caroline leise. Sie fragte sich freilich insgeheim, ob er selbst seiner Sache so sicher war.
    »Er ist mein Bruder.« Für Tucker waren damit alle Fragen beantwortet. Er sah Dwayne weiter drüben mit dem alten O’Hara zusammensitzen. Zwischen ihnen stand eine Flasche von O’Haras Selbstgebranntem. »Er wird vor Sonnenuntergang noch stockbesoffen sein. Aber ich bringe es nicht übers Herz, ihn daran zu hindern.«
    »Früher oder später wirst du es müssen, Tucker.« Sie streichelte ihm die Wange. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie du mir erklärt hast, man solle nicht soviel grübeln, sondern handeln und das, was schlecht läuft, nach Möglichkeit verbessern?«
    »Du willst mir wohl sagen, wenn mein Rat gut genug für dich ist, dann sollte ich ihn selber auch beherzigen?«
    Sie lächelte. »Etwas in der Richtung, ja.«
    Tucker nickte nachdenklich. »In Memphis oben gibt es ein Sanatorium für Alkoholiker. Es hat einen sehr guten Ruf.
    Dwayne wäre nicht der erste, den sie dort von der Flasche kuriert hätten. Wenn ich es geschickt genug anstelle, kann ich ihn vielleicht davon überzeugen.«
    »Darling, bei deinen Überredungskünsten würdest du sogar einem Verhungernden den letzten Brotkrumen abschwatzen.«
    »Was du nicht sagst…«
    »Was ich nicht sage…«
    Er drückte ihr einen Kuß auf die Lippen. »Wenn dem so ist, dann könnte ich dir vielleicht auch was aufschwatzen, etwas, wonach es mich schon seit einiger Zeit gelüstet.«
    Caroline dachte an das herrlich kühle und vor allem leere Haus und an das Bett in seinem Zimmer. »Ich glaube, du hast mich schon überzeugt. Was genau schwebt dir denn vor?«
    »Tja, da ist so eine schwer zu definierende Lust.« Er knabberte an ihrem Ohrläppchen.
    »Klingt ja aufregend!«
    »Aber ich wollte dir nichts zumuten.«
    »Aber bitte, schieß los!«
    »Nun ja, weil du doch so zurückhaltend bist, dachte ich, du hast vielleicht Bedenken hier draußen… in aller Öffentlichkeit.«
    Caroline konnte vor Lachen nicht mehr an sich halten. »Was soll ich in aller Öffentlichkeit nicht tun wollen?«
    »Dumme Frage. Ein paar Stücke vorspielen. An was hast du denn gedacht?« Er zog schalkhaft eine Augenbraue hoch. »Ich muß schon sagen, Caroline. Du hast eine sehr schmutzige Fantasie.«
    »Und die deine geht bisweilen ganz schön verschlungene Pfade. Was soll ich dir denn vorspielen?«
    »Was du willst. Daß du Lust hast zum Spielen, das sehe ich dir doch an.«
    Caroline setzte zu einer Entgegnung an, hielt jedoch inne.
    »Du hast recht«, meinte sie achselzuckend. »Ich habe wirklich Lust.«
    Tucker gab ihr einen Kuß und sprang auf. »Ich hole dir deine Geige.«

29
    Die drei Musikanten am Teichufer nahmen Caroline zunächst zögernd, dann aber durchaus herzlich in ihren Kreis auf. Ähnlich mißtrauisch beäugte Caroline ihrerseits am Anfang auch das Publikum. Caroline fühlte sich an eine Schulklasse erinnert, die einen langweiligen Vortrag einer berühmten Kapazität über sich ergehen lassen muß.
    Ihr dämmerte, daß sie im Lauf der Jahre Ovationen immer mehr als etwas Selbstverständliches hingenommen hatte. Aber dieser Rasen hier hatte mit einer Bühne nicht das Geringste gemeinsam, er war eben nicht Carnegie Hall.
    Caroline kam sich fehl am Platze, ja lächerlich vor. Der virtuose Umgang mit einer Stradivari war hier nicht gefragt. Die Leute wollten etwas Ursprüngliches hören, die Volksmusik der

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