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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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blieb vor dem Spiegel stehen.
    Versonnen starrte sie in ihr eigenes Gesicht. »Ich hatte gedacht, weil Dwayne so fertig ist… Aber ich hätte es gleich wissen müssen… Es ist das Blut… Wie bei einem verwilderten Hund…
    Hat er einmal daran geleckt, gibt es kein Zurück mehr, Caro.«
    Caroline stellte sich hinter sie. Ihre Blicke begegneten einander im Spiegel. »Es gibt gute Ärzte. Ich kann euch einen empfehlen, der ihm garantiert helfen wird.«
    »Ärzte!« höhnte Josie. »Was für ein Blödsinn. Hast du deine Mutter gehaßt und deinen Daddy geliebt?«
    »So einfach ist das nie.«
    »Manchmal schon. Hör mal. Da draußen singt Toby March.
    Wahnsinn, was der Mann für eine Stimme hat!«
    »Josie, wir müssen es Tucker sagen. Und wir müssen Dwayne so weit bringen, daß er sich freiwillig stellt. Es tut mir leid, aber anders geht es nicht.«
    »Ich weiß, daß es dir leid tut.« Seufzend griff Josie in ihre Handtasche. »In der Seele tut es mir weh, Caroline.« Sie fuhr herum. In ihrer Hand blitzte eine Pistole auf. »Du oder meine Familie, Caroline. Du oder die Longstreets. Du weißt, was das heißt.«
    »Josie…«
    »Das ist eine Derringer. Schau sie dir genau an. Mein Daddy hat sie mir zum sechzehnten Geburtstag geschenkt. ›Sweet Sixteen‹ hat er mich genannt. Er war ein eingeschworener Verfechter der Selbsthilfe. Ich habe ihn geliebt. Meinen Vater habe ich gehaßt, aber meinen Daddy habe ich geliebt.«
    Caroline benetzte sich die trockenen Lippen. Noch hatte sie keine Angst. Der Schock ließ noch keine Gefühle zu. »Steck die Waffe ein, Josie. Du kannst Dwayne so nicht helfen.«
    »Es geht nicht nur um Dwayne, sondern um die ganze Familie.«
    »Miss Caroline?« Es war Cys Stimme, die durch das Treppenhaus hallte. Die beiden Frauen zuckten zusammen.
    »Miss Caroline. Sind Sie im Haus?«
    Panik flackerte in Josies Augen auf. »Sag ihm, daß er gehen soll, Caro. Ich will nicht auch noch dem Jungen was antun.«
    »Ich bin in meinem Zimmer, Cy!« rief Caroline, ohne den Blick vom schwarzen Lauf der Pistole zu wenden. »Geh ruhig voraus. Ich komme gleich nach.«
    »Mr. Tucker hat mir aber aufgetragen, daß ich bei Ihnen bleiben soll.«
    »Ja, ja, schon gut. Aber ich habe dir doch gesagt, daß ich gleich komme.« Ihre Stimme zitterte leicht. Die ersten Anzeichen der Angst machten sich bemerkbar. »Los, geh schon.«
    »Jawohl, Ma’am. Das Feuerwerk fängt gleich an.«
    »Schön. Laß es dir nicht entgehen.«
    Caroline wagte nicht zu atmen, bis die Tür unten endlich ins Schloß fiel.
    »Es hätte mir wirklich leid um den Jungen getan«, wiederholte Josie. »Ich mag ihn nämlich unheimlich gern. Er gehört ja fast schon zur Familie.« Auf ihren Lippen flackerte ein gespenstisches Lächeln.
    »Josie…« Caroline rang um einen halbwegs ruhigen Tonfall.
    »So lassen sich keine Probleme lösen. Und du weißt doch, daß ich Dwayne nie weh tun würde.«
    »Nein, aber du würdest deine Pflicht tun. So wie ich die meine tun muß.« Sie griff wieder in die Handtasche. Diesmal zog sie das Messer heraus. »Es gehörte meinem Daddy. Die Jagd war sein ein und alles. Mit diesem Messer hat er die Tiere immer an Ort und Stelle ausgenommen. Daß er sich die Hände mit Blut besudelte, hat Daddy nicht gestört. Ich habe ihn für mein Leben gern begleitet. Mir hat die Jagd immer unheimlich Spaß gemacht.«
    »Josie, bitte steck das Messer weg.«
    Josie drehte die Klinge im Lichtschein hin und her. »Tja, aber der gute Tucker hatte es noch nie besonders mit dem Töten. Er hat immer daneben geschossen. Absichtlich. Was hat Daddy ihm nicht für Standpauken gehalten! Na ja, und Dwayne hat zwar fleißig auf die Hasen oder Böcke geschossen, aber wenn es ums Ausnehmen ging, wurde ihm jedesmal schlecht. Ach, waren die zwei empfindlich! Daddy hat sie Memmen genannt. Und dann hat er zu mir gesagt:›Josie, komm her und zeig es den zwei Memmen.‹« Sie lachte auf. »Tja, und das habe ich auch getan.
    Beim Anblick von Blut hat sich mir der Magen nie umgedreht.
    Es hat so einen besonderen Geruch. Irgendwie wild und trotzdem herrlich süß.«
    Caroline wich Zentimeter für Zentimeter zurück. Sie wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Krächzen hervor. Wieder trafen sich ihre Blicke.
    »Nach Daddys Tod habe ich das Messer geerbt.« Sie hielt die Klinge ins Licht. »Es ist auf mich übergegangen.«
    Caroline starrte gebannt in das funkelnde Silber. Hinter ihr explodierten die ersten Raketen.

30
    Wie lächerlich die hübsche kleine

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