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Sehnsucht nach Leben

Sehnsucht nach Leben

Titel: Sehnsucht nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaeßmann
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gelingt, der strahlt Ruhe und Kraft aus, weil er zum eigenen Leben stehen kann. Ein solcher Mensch ruht in sich selbst und kann eines Tages sagen: Es war gut so.
    Aber eine gute Balance beinhaltet nicht nur die Zufriedenheit mit dem, was ist, sondern auch die andere Seite, die Frage: „Müsste ich nicht etwas ändern? Oder lasse ich einfach alles, wie es ist?“
    Eine junge Frau fragte mich einmal: „Soll ich denn mit meinem Freund zusammenbleiben, obwohl ich ihn gar nicht liebe und nur weil ich Angst vor der Veränderung habe?“ Nein, natürlich nicht! Das Wagnis der Veränderung gehört ebenso zum Leben wie Verantwortung. Und Gott mutet uns Aufbrüche zu! Ich habe das selbst manchmal als schmerzhaft empfunden, und ich weiß, dass solche Aufbrüche Trauer und Zukunftsangst mit sich bringen. Aber manches Mal sind sie nötig, damit wir unsere Ziele nicht aus dem Blick verlieren. Dass Gott uns Umbrüche und Aufbrüche zumutet, aber uns auch hilft, solche Wege zu gehen, davon weiß die Bibel so manche Geschichte zu erzählen.
    Nun kann diese Sehnsucht nach Leben auch zerstörerisch wirken. Wenn ich ständig meine, ein anderes Leben sei besser als meines, wird sich Unzufriedenheit breitmachen, die Beziehungen verletzt. Dann ist die jüngere Frau Garantin für ein vermeintlich besseres Leben, oder der andere Arbeitsplatz, die neuen Freunde – und im Gegenzug werden die jetzige Frau, die aktuellen Kollegen, die langjährigen Freunde nicht wertgeschätzt.
    Das meine ich mit „Balance“: Es gilt, sich einerseits Veränderungen nicht zu verschließen, aber auch dankbar zu sein für das, was möglich ist. Und genau so kann ein zufriedenes, gelingendes Leben aussehen – wie bei dem Mann, der sagt, am Ende seines Lebens wolle er ein guter Ehemann, Vater und Bürger gewesen sein. Und das ist vor Gott ein gutes Leben in aller Fülle.
    Ja, es ist ein Balanceakt, hier den richtigen Weg zu finden. Ich erinnere mich an einen Mann, der seine Familie verlassen hat, um mit einer anderen Frau ein neues Glück zu finden, und dann völlig unglücklich war, weil er seine alte Familie so sehr vermisste. Es gilt herauszufinden, wo die Gründe liegen, wenn ich unzufrieden bin, ob ich aufbrechen oder in das Vorhandene investieren sollte – flüchten oder standhalten, diese Frage kann niemals pauschal beantwortet werden. Aus meiner Erfahrung als Seelsorgerin kann ich nur raten: keine überstürzten Entscheidungen treffen und Kurzschlussreaktionen vermeiden. Es ist wichtig, in Ruhe die Situation anzuschauen: „Wie will ich leben? Wie will ich alt werden? Was ist mir mit Blick auf die Menschen, die ich liebe, wirklich wichtig an meiner Lebenssituation?“ Veränderung kann sowohl ein falscher Weg als auch eine große Chance sein. Aber nur, wenn ich einen Weg bewusst gehe, werde ich dort auch Zufriedenheit, Glück und Lebensfülle finden. So manches Mal kann es helfen zu beten, um im Gespräch mit Gott eine Entscheidung zu treffen, die ich vor mir, denen, die ich liebe, und Gott verantworten kann.
    Als ich eine junge Pfarrfrau und Mutter von drei Kleinkindern war, erreichte ich irgendwann einen Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, in eine Sackgasse geraten zu sein. Ich hatte den Eindruck, dass ich nur noch um die Kinder, Essenspläne und Termine in der Kirchengemeinde rotierte. Ich liebte meine Kinder wirklich sehr, aber die Rolle engte mich ein. Ich wollte doch so gern noch so viel erleben und gestalten! Von außen aber fühlte ich mich ganz und gar auf die Mutterrolle festgelegt, fühlte mich enttäuscht und eingeschränkt. Das war der Zeitpunkt, an dem ich rebelliert und gekämpft habe, bis ich schließlich einen Ort fand, an dem ich mich engagieren konnte, ohne allein auf die Mutterrolle festgelegt zu sein. Und auf einmal erkannte ich: Ich war so gerne Mutter, dass ich mir auch noch ein viertes Kind wünschte. Ich hatte mich selbst und mein inneres Gleichgewicht wiedergefunden und konnte umso mehr geben.
    Mir ist es wichtig, nicht in Zufriedenheit stecken zu bleiben, sondern immer neu zu fragen: „Was will ich mit dem Leben anfangen? Was treibt mich eigentlich an außer der Sorge für Nahrung und Obdach? Was kann und will ich ändern? Wo will ich einen Beitrag leisten in dieser Welt? Indem ich mich für andere engagiere. Indem ich für meinen Glauben eintrete. Indem ich mich in meine

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