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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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Erregt befreite sie sich aus seiner Umarmung. »Er darf unseren Sohn auf keinen Fall zu Gesicht bekommen, hörst du?«

    »Ist ja gut!« Johannes hob seine Hände. »Wenn du willst, bleiben wir eben alle in unserer Hütte.«
    Keine fünf Minuten später wurde er jedoch zu Hidipo gerufen. Sarahs Augen weiteten sich entsetzt, während sie ihren Sohn fest umklammerte. Johannes nickte ihr aufmunternd zu und begab sich nach draußen.
    Der Zauberer betrachtete den weißen Mann abschätzend. Sein hageres Gesicht mit den tief liegenden Augen strahlte Machtbewusstsein, aber auch Verschlagenheit und Habgier aus. Johannes begegnete unerschrocken seinem Blick. Er war fest entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen.
    »Wa tokelwapo«, grüßte er freundlich.
    Der Zauberer nickte.
    »Oho popi oshivambo?«, fragte er mit unbewegter Miene. Johannes schüttelte den Kopf. Mehr Oshivambo beherrschte er nicht. Zu seiner Überraschung antwortete der Zauberer in fließendem Herero.
    »Du bist Gast bei Häuptling Nehale?«
    Etwas Lauerndes lag in seiner Stimme.
    Johannes zuckte mit der Schulter. »Wie man’s nimmt. Nehale ist sehr großzügig und lässt es mir an nichts mangeln.« Er vermied mit Absicht, seine Frau und den Sohn zu erwähnen. Der Zauberer lächelte über die diplomatische Antwort, dann forderte er ihn auf, neben ihm auf dem Boden Platz zu nehmen. Ein Dorfbewohner kam auf sie zu. Er verbeugte sich vor dem Zauberer und trug wild gestikulierend ein Anliegen vor. Der Zauberer hörte ihm aufmerksam zu und stellte viele Fragen. Dann begannen die beiden zu verhandeln. Schließlich nickte der Zauberer zufrieden und bedeutete dem Mann, die anderen Dorfbewohner zu holen. Ohne den am Boden sitzenden Johannes anzusehen, gab er ihm eine Erklärung.
    »Ich bin ein mächtiger Zauberer«, behauptete er selbstbewusst. »Ich kann in die Seelen der Menschen schauen. Dieser
Mann sagt, dass ihm zehn Rinder gestohlen worden sind. Er möchte, dass ich herausfinde, wer sie gestohlen hat.«
    Unterdessen eilten alle Dorfbewohner herbei und versammelten sich um den Zauberer. Ihre Mienen drückten Sorge, wenn nicht sogar unverhohlene Angst aus. Der Zauberer richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Mit einer befehlsgewohnten Geste gab er seinen Begleitern das Zeichen, seine Zauberutensilien vor ihm auszubreiten. Er umkreiste die Lederdecke mit den Gerätschaften und Kräutern und griff schließlich nach einer Kalebasse, in die er einige Kräuter gab. Unter lautem Gesang begann er die Kräuter in der Kalebasse zu zerreiben. Seine Augen weiteten sich und funkelten die Umstehenden der Reihe nach wild an. Immer wieder blieb sein Blick für längere Zeit auf einzelnen Personen haften.
    Die Betroffenen heulten auf, und der Angstschweiß brach ihnen aus allen Poren. Auch Johannes, der die Szene aus der letzten Reihe beobachtete, wurde auf diese Art begutachtet. Gleichmütig hielt er dem Blick des Zauberers stand. Für einen kurzen Augenblick glaubte er sogar deswegen Verärgerung in dessen Augen zu erkennen. Dann wandte der Zauberer sich wieder ab, rührte noch einmal in der Kalebasse; dann schüttelte er sie und sah hinein.
    »Nangolo!«, rief er mit einem lauten Schrei und deutete mit ausgestrecktem Arm auf einen Mann in der Menge.
    »Nangolo!«
    Der Betroffene zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen und schüttelte heftig den Kopf. Jammernd bekundete er seine Unschuld und flehte den Zauberer an, seine Anschuldigung zurückzunehmen. Der Mann, der ihn angeklagt hatte, grinste zufrieden. Johannes vermutete sofort ein abgekartetes Spiel.
    Er fragte Hidipo, der ihm widerwillig erklärte, was nun geschah.
    Mit eindringlichen Worten gebot der Zauberer nun dem Beschuldigten,
die Beute freiwillig herauszurücken. Doch dieser wehrte sich und versicherte nochmals, dass er die Rinder nicht gestohlen hatte. Der Zauberer nickte finster.
    »Dann wird ein Zauber die Wahrheit ans Licht bringen«, verkündete er mit düsterer Miene. Er füllte etwas Wasser in die Kalebasse und stellte sie in die Mitte des Dorfplatzes. Der vermeintliche Dieb musste sich davor hinknien.
    »Wenn du nicht gestohlen hast, dann wird sich dein Gesicht auch nicht auf dem Wasser zeigen«, donnerte er. Der Mann zitterte am ganzen Körper, als er sich vornüberbeugte und in sein Spiegelbild sah.
    »Er ist schuldig!«, donnerte der Zauberer. »Das Gesicht des Diebes leuchtet auf der Wasseroberfläche.«
    Lautes Gemurmel, Erleichterung, aber auch Furcht und Mitleid waren unter den

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