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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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sich die beiden Frauen in warme Wollstolen gehüllt auf die Veranda. Riccarda schlief friedlich in ihrem Bettchen im Haus. Aus der Wiege, die Fritz ihr gezimmert hatte, war sie längst herausgewachsen.
    Lange Zeit schwiegen die Frauen und hingen ihren eigenen
Gedanken nach, die sich um nichts anderes drehten als die Sorge um ihre Lieben.
    »Ich spüre, dass Fritz lebt«, unterbrach Jella das Schweigen. Sie sagte den Satz trotzig, so, als könne sie ihn dadurch wahr machen. »Aber es macht mich wahnsinnig, dass ich nicht weiß, wo er steckt.«
    »Wir müssen lernen, uns der Wirklichkeit zu stellen.« Imelda schluckte schwer. Sie war viel zu sehr Realistin, als dass sie sich etwas vormachen konnte. Nur allzu gut wusste sie, wie leicht man in diesem wilden Land ums Leben kommen konnte. Im Gegensatz zu ihrer Schwiegertochter befürchtete sie das Schlimmste. Insgeheim hatte sie längst alle Hoffnungen begraben, zumindest, was ihren Sohn und Rajiv anging. Der Kummer drückte ihr die Kehle zu.
    »Am Tag vor seiner Abreise hat mir Rajiv seine Liebe gestanden«, murmelte sie leise. Es war das erste Mal, dass sie darüber sprach.
    Jella war nicht sonderlich überrascht. Sie hatte es geahnt. Die liebevollen Blicke, die sich die beiden zugeworfen hatten, waren niemandem verborgen geblieben.
    Sie tastete nach der Hand ihrer Schwiegermutter und drückte sie.
    »Sobald es geht, werde ich alle Missionsstationen abreiten«, versprach sie. »Du wirst sehen, wir werden sie finden.«
    Imelda begann zu weinen. Sie wünschte sich, sie hätte etwas von Jellas Zuversicht.
    »Kommt Alfred Knorr wirklich gut im Store zurecht?«, versuchte Jella das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. Imelda schniefte.
    »Er geht mit seinen Angebereien ganz Okakarara auf die Nerven.« Nun musste sie gegen ihren Willen sogar lachen. »Aber er ist der geborene Verkäufer. Seit er da ist, geht niemand mehr aus meinem Laden, ohne etwas gekauft zu haben. Mach dir keine
Sorgen, ich kann auf jeden Fall bei dir bleiben, bis hier alles wieder seinen Weg geht.«
    Jella begann von den Fortschritten bei den Bauarbeiten zu erzählen.
    »Samuel wird jeden Tag besser. Er und die anderen Farmbewohner arbeiten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Den Pferdestall haben sie bereits wieder aufgebaut, und die Bullen werden bis Ende des Monats auch wieder ein Dach über dem Kopf haben.«
    Hufgetrappel näherte sich der Farm. Jella horchte auf. »Wer kommt da denn noch so spät?« Sie erhob sich, um nachzusehen. In der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Sollte sie Alarm schlagen? Dann hörte sie eine allzu bekannte Stimme.
    »Jella, Jella, wir sind wieder da!«
    Ein strahlender Raffael lief aus der Schwärze der Nacht ins Petroleumlicht der Veranda. Jella traute ihren Augen nicht. Erst als ihre Beine von zwei Kinderarmen fest umschlungen wurden, erkannte sie, dass es kein Wunschgedanke war.
    »Das gibt es doch nicht«, stammelte sie fassungslos. »Wir haben schon das Schlimmste befürchtet!«
    Sie lachte und weinte zur gleichen Zeit, während sie ihren Vater, Sarah und den kleinen Bruder abwechselnd umarmte und immer wieder an sich drückte. Alle waren so in ihrem Glück gefangen, dass niemand die vierte Person bemerkte, die still etwas abseits in der Dunkelheit stand. Imelda war die Erste, der sie auffiel.
    »Habt ihr einen von Sarahs Verwandten mitgebracht?«, fragte sie und deutete mit dem Kopf in Richtung Dunkelheit. »Wir können ihn doch nicht einfach so stehen lassen!«
    Sie trat auf den Mann zu, um ihn ins Helle zu holen. Mit jedem Schritt, dem sie sich ihm näherte, bekam sie ein mulmigeres Gefühl. Die Umrisse des Mannes waren ihr seltsam vertraut. Ihr Herz beschleunigte seinen Schlag, bis es schließlich
wild zu hämmern begann und ihre Knie schwach werden ließ.
    »Rajiv?«, flüsterte sie ungläubig.
    »Namaste.«
    Der Klang seiner Stimme war genauso weich und sehnsuchtsvoll, wie sie ihn in Erinnerung hatte.
    Langsam trat der Inder aus der Dunkelheit und lächelte.
     
    In aller Eile richteten die beiden Frauen für die Vermissten ein Abendessen her. Nur gut, dass Teresa längst bei ihrer Familie war, denn sie wollten den Abend unter sich genießen. Zur Feier des Tages öffnete Jella sogar eine Flasche südafrikanischen Weins. Sie saßen um den großen Tisch neben der offenen Küche und redeten wild durcheinander. Johannes hielt stolz seine kleine Enkeltochter im Arm und konnte gar nicht genug von ihr kriegen. Das Baby war in dem Tumult längst aufgewacht und

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