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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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von früher und erzählten von den guten Zaubern, die sie angeblich hatte. So war es kein Wunder, dass sich oft schon am frühen Morgen eine lange Schlange von Patienten vor dem kleinen Lazarett einfand. Viele litten an schlecht verheilten Wunden oder entzündeten Augen. Es gab Fieberfälle und Unfallverletzte. Hin und wieder wurde Jella zu schwierigen Geburten oder zu Schwerkranken in eines der Dörfer gerufen, sodass sie das Lazarett verlassen musste. Sonja kümmerte sich unterdessen um die harmloseren Fälle. Sie stellte sich sehr geschickt an und konnte ihr bald einiges abnehmen.
     
    Das Leben auf Owitambe spielte sich langsam wieder ein. Alle versuchten, ein möglichst normales Leben zu führen. Die Tatsache, dass Raffael und seine Eltern immer noch spurlos verschwunden waren, bedrückte alle, aber sie sprachen nicht darüber. Afrika war ein hartes Land. Fritz arbeitete unermüdlich daran, die Zäune und Stallungen zu reparieren und den Farmbetrieb wieder auf Vordermann zu bringen. Nach Rücksprache mit einigen Nachbarfarmern war er zu der Überzeugung gelangt, dass es sich lohnte, neue Karakulschafe zur Züchtung anzuschaffen. Er hatte Johannes’ Bücher durchgesehen und erkannt, dass der Verkauf der gelockten Lammfelle ein profitables Geschäft versprach. Leider war sein Schwiegervater nicht mehr auf der Farm, und er selbst hatte keine Ahnung von der Zucht. Da kam ihm Mateus in den Sinn. Nach wie vor kümmerte sich der junge Herero heimlich um die gestohlenen Karakulschafe.
Fritz nahm an, dass sich die Herde wohl mittlerweile verdoppelt haben musste. Er hatte die Lösung dieses Problems viel zu lange in den Hintergrund gestellt. Doch jetzt meinte er einen Weg gefunden zu haben, um die Angelegenheit endgültig zu klären. Bislang hatte er es stillschweigend geduldet, dass der Herero sich heimlich an den Futtervorräten bediente. Dem schob er nun einen Riegel vor. Er ließ das Tierfutter in einen abschließbaren Raum bringen und verwaltete selbst den Schlüssel. Auf diese Weise brachte er Mateus in Schwierigkeiten, denn er musste für seine Schafe nun eine ausreichend große Weide finden. Das war allerdings nahezu unmöglich, ohne dass jemand auf der Farm es mitbekam. Diese Zwickmühle, in die er Mateus gebracht hatte, beschloss Fritz zu nutzen. Viehdiebstähle waren bei den Hereros wie bei allen Hirtenvölkern kein Verbrechen. Andererseits handelte es sich um etwas anderes, wenn man seinen Dienstherrn beklaute. Fritz wollte dem jungen Mann eine goldene Brücke bauen, ohne dass er sein Gesicht verlor. Er rief ihn zu sich und deutete auf das Gelände, wo er die neuen Schafherden unterbringen wollte. Die Weide war ideal, die Tiere konnten sich selbst ihr Futter suchen, fanden Schatten unter Bäumen, und Wasserstellen waren auch vorhanden.
    »Ist das nicht eine besonders geeignete Schafweide?«, fragte er listig. Mateus sah ihn verwundert an. Er wusste bislang nichts von Fritz’ Plänen.
    »Es ist ein guter Ort«, meinte er einsilbig.
    »Ich möchte gern, dass du dich in Zukunft um unsere Schafe kümmerst«, schlug Fritz vor. »Dein Vater sagt, dass keiner in deinem Dorf sich besser mit Schafen auskennt als du.«
    Mateus Schultern strafften sich in Anbetracht des unerwarteten Lobes. Er fühlte sich offensichtlich geschmeichelt. Aber dann stutzte er. Wieso kam der Herr ausgerechnet auf ihn?
    »Was ist? Möchtest du die Schafzucht übernehmen?«, hakte
der auf sein Schweigen nach. Der junge Herero kratzte sich unbeholfen am Kopf.
    »Es ist eine gute Aufgabe«, gab er zu. Fritz sah ihm an, dass er angebissen hatte.
    »Abgemacht«, lachte Fritz und schlug ihm auf die Schulter. »Leider trifft die nächste Schiffsladung mit guten Zuchttieren erst in ein paar Monaten ein. Wir werden die Weiden noch einige Zeit nicht brauchen. Willst du nicht deine Schafe so lange hier unterstellen?«
    »Ich habe keine Schafe«, beeilte sich Mateus zu sagen. Er wollte davongehen, aber Fritz hielt ihn zurück.
    »Und was ist mit den Tieren in der Nagelschlucht?«
    Mateus war von Fritz’ Offenheit so überrumpelt, dass ihm der Unterkiefer herunterklappte. Woher wusste der weiße Herr von den Schafen? Wie war er ihm auf die Schliche gekommen?
    »Du musst mich gar nicht so erstaunt ansehen. Es ist gut, dass du für die Schafe von Herrn Johannes gesorgt hast.« Bevor er sich rechtfertigen konnte, fuhr Fritz fort. »Du musst nichts sagen. Die Tiere würden nicht mehr leben, wenn du dich nicht um sie gekümmert hättest. Ich bin stolz, dass

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