Sehnsucht unter suedlicher Sonne
war besonders heiß gewesen, aber inzwischen hatte es sich abgekühlt, und ein Gewitter lag in der Luft. Bereits am Tag zuvor hatte ein Unwetter gedroht und sich wieder verzogen. Das ließ sich jetzt häufiger beobachten. Die Trockenzeit ging allmählich in die Regenzeit über. Plötzliche Wolkenbrüche waren nicht mehr auszuschließen. Es konnte dabei zu bedrohlichen Überschwemmungen kommen, die Mensch und Tier gleichermaßen gefährdeten. So hatte Sondra Wakefield ihr Leben verloren.
Die Atmosphäre im Jeep schien geladen zu sein, und Genevieve vermied es, Bretton anzusehen, und konzentrierte sich ganz auf die vorbeiziehende Landschaft. Bläuliche Luftspiegelungen waren am Horizont zu sehen. Die Täuschung war so echt, dass es Genevieve nicht schwerfiel, sich die frühen Entdecker vorzustellen, die sich mit letzter Kraft darauf zu bewegt hatten, in der Annahme, ausgedehnte Seen vorzufinden.
Der tiefblaue Himmel hob sich scharf von der hitzeflirrenden Ebene ab. Immer mehr Kumuluswolken ballten sich zusammen und leuchteten in den verschiedensten Farben. Violett und Dunkelgrau herrschten vor. Grüne und blaue Streifen deuteten auf elektrische Entladungen hin, die häufig ein Unwetter einleiteten.
Über dem Hill Country , wo sich die Felszeichnungen der Aborigines befanden, lag rötlicher Dunst. Genevieve war mit der Kunst der Eingeborenen vertraut. Sie unterschied sich stark von der westlich geprägten modernen Malerei, aber gerade dieser Unterschied sicherte ihnen die Aufmerksamkeit des interessierten Publikums.
Trotz der anhaltenden Dürre hatte die rote Erde noch pinkfarbene, gelbe und kobaltblaue Wildblumen hervorgebracht, die zwischen dem vertrockneten Spinifexgras lebhafte Farbflecke bildeten. Über ihnen zogen Scharen bunter Papageien dahin. Sie flogen in strenger, pfeilförmiger Formation und erinnerten Genevieve an mit Goldrand verzierte Seidentücher, die so zusammengelegt waren, dass sie ein Dreieck bildeten.
Die Bauhinias, die vor zwei Wochen noch rosa, weiß und dunkelrot geblüht hatten, waren jetzt kahl und ließen nichts mehr von ihrer früheren Pracht ahnen. Die abgefallenen Blüten bildeten dichte Teppiche und lagen wie farbiger Schnee auf der ausgedörrten Erde.
Als sie ihr Ziel beinahe erreicht hatten, warf Genevieve ihrem Begleiter einen flüchtigen Blick zu. Brettons ausdrucksvolles Profil könnte gut die Rückseite einer Münze schmücken, dachte sie dabei. Sie wusste nicht genau, was sie erwartete, und hoffte, dass Bretton endlich das Schweigen brechen würde, was er aber nicht tat.
„Sag endlich, was los ist“, forderte sie ihn schließlich auf.
„Was soll denn los sein?“, fragte er, ohne sie anzusehen.
„Du hast etwas. Das spüre ich genau.“
„Da spricht wieder die Geisterseherin.“
Seine Einsilbigkeit war verletzend. „Immerhin habe ich Kit gerettet“, erinnerte sie ihn.
„Das stimmt“, sagte er und sah sie zum ersten Mal an. „Verzeih bitte.“
„Entschuldigung angenommen.“ Genevieve blickte wieder zum Fenster hinaus. „Du entschuldigst dich sicher nicht sehr oft.“
„Das musst ausgerechnet du sagen.“
Genevieve hatte das Gefühl, mit Bretton in einer Glasglocke gefangen zu sein. Die bedrohliche Spannung war kaum noch zu ertragen.
„Heraus damit, Bretton. Was hast du von Liane erfahren?“
„Seltsam, dass du das fragst.“
„Sie hat offensichtlich Nachforschungen über mich angestellt. Das überrascht mich nicht. Deine Exverlobte hat immer noch die unsinnige Hoffnung, dass es zwischen euch zur Versöhnung kommt.“
„Und du weißt es besser?“
„Ja. Liane hat etwas getan, was du ihr niemals verzeihen wirst. Es gibt daher kein Zurück. Ich verstehe das sehr gut, denn Mark hat mich ebenfalls betrogen … mit meiner Stiefschwester. Ich glaube nicht, dass ich Carrie-Anne jemals vergeben kann. Ich wusste es nicht, aber sie hat in mir immer nur die Rivalin gesehen. Was ich hatte, musste sie auch haben. Es klingt verrückt, aber irgendwie wollte sie eine zweite Genevieve Grenville sein. Gott sei Dank ist dieses Kapitel abgeschlossen. Gilt das auch für dich und Liane?“
„Warum sollte ich meine Geheimnisse mit dir teilen, Genevieve Grenville alias Michelle Laurent? Ich vertraue dir nicht mehr, denn du warst mir gegenüber nicht ehrlich. Wenn ich nur wüsste, warum du deine wahre Identität vor mir verborgen hast.“
„Du weißt es von Liane, nicht wahr?“
„Das dürftest du als Hellseherin eigentlich nicht fragen. Natürlich. Sie ist rasend
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